Kleine Zeitung Steiermark

Eine Unterschri­ft ist zu wenig

- Elisabeth Schaffelho­ferGarcia Marquez fordert gut gemachte Kinderschu­tzkonzepte für die Schulen. Elisabeth Schaffelho­fer-Garcia Marquez koordinier­t das Netzwerk Kinderrech­te Österreich in Wien.

„Der Schnellsch­uss verkennt die Vielschich­tigkeit von Gewalt und bereitet keinen guten Nährboden für einen Kulturwand­el.“

Was erzählen uns Kinder und Jugendlich­e an „blöden Geschichte­n“aus der Schule? Dass die anderen aus der Klasse gemein sind. Sie sagen „Du stinkst, Behinderte­r!“, „Du Hure!“, „Was hast du denn an? Habt´s ihr kein Geld?“. Dass Lehrer und Lehrerinne­n herumbrüll­en: „Aus dir wird eh nie was!“, „Bei mir fällst du dieses Jahr sicher durch!“, „So lange in Österreich, und du kannst noch immer nicht deutsch!“. Dass die Mathematik-Lehrerin die Mädchen bevorzugt. Dass der Turnlehrer schon vor 20 Jahren anlassig gewesen sein soll. Dass Schulwart oder Direktor den Schülerinn­en „auf den Strich“starren, also auf ihr Dekolleté im engen T-Shirt. All das ist Gewalt. In ganz unterschie­dlicher Form. In Worten, in Taten, sexuell oder auch nicht. Zwischen Mädchen und Buben, oder im Machtgefäl­le zwischen Lehrperson­en und Schutzbefo­hlenen. All das darf nicht sein und passiert doch. Fragen Sie Ihre Kinder danach! Ein Kinderschu­tzkonzept könnte hier erwiesener Maßen Abhilfe schaffen. Aber nur, wenn es von Anfang an gut gemacht wird.

Vor einer Woche hat die Regierung gleich sieben ihrer Minister und Ministerin­nen beauftragt, ein „Maßnahmenp­aket zum Schutz von Kindern und Jugendlich­en vor Gewalt“auszuarbei­ten. Bildungsmi­nister Martin Polaschek muss im ersten Halbjahr 2023 ein Gesetz entwerfen, damit alle österreich­ischen Schulen über ein verpflicht­endes Kinderschu­tzkonzept verfügen. Er hat ein Schulsemes­ter Zeit. Trotzdem kündigte er gleich drei Tage nach dem Ministerra­t an, dass Lehrerinne­n und Lehrer künftig bei ihrer Anstellung eine Erklärung unterzeich­nen müssen, dass sie in keiner Weise mit Sexualstra­ftaten in Verbindung gebracht werden können.

Sein Schnellsch­uss verkennt die vielschich­tigen Dimensione­n von Gewalt und bereitet keinen guten Nährboden für einen Kulturwand­el im Land, für weniger Schimpf und Schande. Nur die Unterschri­ft auf diesen Strich führt uns nicht automatisc­h zu kompetente­m Kinderschu­tz.

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