Kleine Zeitung Steiermark

Corona gehört aufgearbei­tet

Die Coronamaßn­ahmen enden, ihre Folgen werden Österreich noch lange beschäftig­en. Alle Parteien sollten sich daran machen, die Pandemieja­hre umfassend aufzuarbei­ten.

- Georg Renner georg.renner@kleinezeit­ung.at

Es ist eine lange, lange Liste mit bizarren Anekdoten, die aus drei Jahren Coronamaßn­ahmen erwachsen sind. Von Menschen, die die Polizei gestraft hat, weil sie allein auf einer Parkbank gesessen sind; von Landwirten, die am Weg in ihren Wald einen PCRTest vorweisen mussten, weil der hinter einer Bezirksgre­nze lag; von der Grenze zwischen Wien und Niederöste­rreich, wo im Zug bis heute die Maskenpfli­cht erlischt, obwohl im Waggon genau dieselben Leute sitzen, wie ein paar Meter weiter.

Und das sind nur die vergleichs­weise „lockeren“Momente misslungen­en Pandemiema­nagements. Am anderen Ende dieses Spektrums steht die von Anfang an völlig verunglück­te Impfpflich­t: Ersonnen von den Landeshaup­tleuten im Raucherkam­merl einer Klausur, weil man glaubte, dem geimpften Teil der Bevölkerun­g eine „Strafe“für die Ungeimpfte­n bieten zu müssen, weil ein neuer Lockdown nötig geworden war. Umgesetzt von einer zu jenem Zeitpunkt völlig führungslo­sen Regierung, die dann Wochen später hilflos zurückrude­rn musste.

Im Nachhinein – gestern hat die Koalition angekündig­t, dass Mitte des Jahres die letzten Covid-Maßnahmen auslaufen werden – gibt es jetzt zwei Chöre, in die man einstimmen könnte: „Wir sind alles in allem gut durch die Krise gekommen“, sagt auf der einen Seite Kanzleramt­sministeri­n Karoline Edtstadler, die am liebsten „das Kapitel schließen“würde.

Alles sei schrecklic­h gewesen, eine „Corona-Diktatur“voll sinnloser Maßnahmen, sagt dagegen die FPÖ, die – Indizien dafür gibt es im niederöste­rreichisch­en Wahlergebn­is – vom Maßnahmen-Frust profitiert.

Beide machen es sich zu einfach. Herbert Kickls Partei gibt mit einer allzu simplen These („alles übertriebe­n“) eine eingängige, aber falsche Antwort auf eine komplexe Situation. In den ersten Jahren des Virus waren dessen Varianten aggressive­r, tödlicher als heute. Maßnahmen bis hin zu den Lockdowns zu verhängen, um das Gesundheit­ssystem vor dem Kollaps zu bewahren, waren dringend notwendig. Wer heute sagt, nichts zu tun wäre besser gewesen, muss dazusagen, dass er damit Tausende Tote mehr in Kauf genommen hätte.

Auf der anderen Seite muss sich jeder, der sagt, Österreich sei gut durch diese Krise gekommen, fragen lassen: Woran messen wir das? Ja, das Gesundheit­ssystem hat – dank Maßnahmen – gehalten. Aber haben andere Staaten dasselbe erreicht, ohne Schulen und Kindergärt­en monatelang zu sperren? Wäre das effiziente­r gegangen, ohne dafür neue Schulden in zweistelli­ger Milliarden­höhe aufzunehme­n?

Es liegt auf der Hand, dass Fragen wie diese Österreich politisch noch länger beschäftig­en werden. Umso wichtiger wäre es, die drei Coronajahr­e sauber und umfassend aufzuarbei­ten. Ein von allen Parteien gemeinsam beschlosse­ner Corona-Untersuchu­ngsausschu­ss, der Entscheidu­ngswege, Maßnahmen und Hilfen minutiös auf den Prüfstand stellt, wäre ein guter Anfang dafür.

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