Zur Person
Sophie Rendl (31) studierte in Wien Rechtswissenschaft mit Fokus Europarecht. Spezialisiert auf Antidiskriminierung und Gleichbehandlung. Sie ist Co-Gründerin der ExpertinnenDatenbank „Frauendomäne“. Seit 2022 leitet sie die vera*Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, Belästigung, Gewalt in Kunst, Kultur und Sport. www.frauendomaene.at
man es eigentlich nicht trennen kann. Als Gesellschaft sollten wir einsehen, dass es bestimmte Verbrechen gibt – ein Missbrauchsdelikt mit Kindern gehört dazu – die man nicht auf diese Art „honorieren“sollte. Welche Grenzen gäbe es denn dann noch?
Was hätte man präventiv machen können?
Prävention ist eine wichtige Sache: Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen können diese sehr niederschwellig und mit externer Hilfe umsetzen. Gibt es Nacktszenen? Andere gefährliche Momente? Es braucht klare Konzepte, Schulungen des Teams, in denen Abhilfe-Maßnahmen aufgezeigt werden. Lieber einmal zu oft als einmal zu wenig Alarm schlagen. Betroffenenstellen wie „We_do“kommen auch ans Set.
Es hieß, Teichtmeister habe seinen Arbeitgebern glaubhaft vermittelt, die Vorwürfe seien ein Racheakt, der sich auflösen werde. Man hat ihm geglaubt. Sorgt man sich mehr um die Vorverurteilung der Täter als um die Opfer? Glaubwürdigkeit hat mit Machtverhältnissen zu tun: Wem wird eher geglaubt? Das erleben wir in vielen Bereichen, es manifestiert sich hier wieder.
Was lösen diese Debatten bei den Opfern aus?
Aus Gewaltschutzsicht ist wichtig, dass im Interesse der betroffenen Person gehandelt wird. Dass sie das Gefühl hat, sie habe die Schritte in der Hand. Wir setzen keine Schritte ohne Einvernehmen mit der Person – und niemals für andere Personen.
Auch gegen einen zweiten Darsteller von „Corsage“gibt es Vorwürfe sexualisierter Gewalt. Was bewirkt es, wenn Fälle in der Öffentlichkeit debattiert werden? Ich kann mir vorstellen, dass Fälle, die an die Öffentlichkeit gelangen, dazu ermutigen, dass sich andere betroffene Personen auch trauen. Personen, die sich vielleicht aussprechen wollen. Dass Einzelfälle publik werden, löst aber noch nicht die strukturellen Probleme, die wir haben. Es ist die Frage, ob wir einen Strukturwandel herbeiführen wollen oder bloß sagen: Das sind doch Einzelfälle!
Was denken Sie?
Ich sehe nicht allzu schwarz. Politischer Wille ist erkennbar, von präventiver Seite müssen wir Druck machen.
Wie wird die Vertrauensstelle vera* im Kulturbereich angenommen?
Der Andrang ist gleichbleibend hoch. Es sind mit Stichtag 36 Fälle anhängig. Einige davon sind sehr komplex und vielschichtig. Ich darf über keine konkreten Fälle reden. Nur so viel: Sie betreffen alle Bereiche der Kunst- und Kulturszene.
Bekommen wir jetzt eine erste richtige Me-too-Welle?
Sagen wir so: Es hat sich schon viel bewegt und wir sind nicht in einem unaufhaltsamen Fall.