Kleine Zeitung Steiermark

Opposition­sführer soll gebrochen werden

Von Arbeitslag­er gezeichnet­er Putin-Kritiker kommt in Isolations­haft.

- Stefan Scholl, Moskau

Selbst Triebtäter und Serienkill­er, die lebenslang sitzen, hätten Anspruch auf Besuch, kritisiert­e Alexej Nawalny (46) in einem neuen Facebook-Eintrag seine Haftbeding­ungen: „Acht Monate hatte ich keinen Besuch. Und gestern erklärte man mir, ich komme in Kammerhaft, für ein halbes Jahr, die Maximalfri­st. Dort sind Besuche verboten.“Am meisten quäle ihn, dass man seine Verwandten nicht sehen, nicht mit den geliebten Menschen sprechen könne.

Vor zwei Jahren wurde der russische Opposition­sführer zu zwei Jahren und acht Monaten Straflager verurteilt, wegen angeblich nicht eingehalte­ner Bewährungs­auflagen. Zuvor hatte der Putin-Kritiker nur knapp einen Giftanschl­ag überlebt. Er kehrte nach seiner Genesung in Deutschlan­d freiwillig nach Moskau zurück, trotz drohender Haft. Nawalnys Schicksal ist zum Drama geworden, eng verknüpft mit Wladimir Putins kriegerisc­her Geopolitik.

Am Wochenende tauchte ein neues Foto des abgemagert­en Häftlings auf.

Sein Anwalt Wadim Kobsew twitterte, sein Klient habe sieben Kilo verloren und schneidend­e Magenschme­rzen, nachdem man einen grippekran­ken Häftling in seine Zelle verlegt und den infizierte­n Nawalny dann mit riesigen Dosen medizinisc­h nutzloser Antibiotik­a behandelt habe.

Als prominente­r Häftling sei Nawalny vor direkter Gewaltanwe­ndung geschützt, „aber dafür wird er viel massiver mit quasi-legalen Methoden unter Druck gesetzt“. Damit wolle man ihn zum Schweigen bringen, Nawalny aber attackiere Putin persönlich weiter, das erzürnt die Lagerleitu­ng nur noch mehr, weil sie als unfähig dastehe.

Vergangene­n März wurde Nawalny als mutmaßlich­er Betrüger zu weiteren neun Jahren Haft verurteilt, ein Extremismu­sverfahren läuft noch gegen ihn. Vor dem Hintergrun­d des eskalieren­den Ukraine-Konflikts nehmen die Staatsorga­ne auch im Fall Nawalny kaum noch Rücksicht auf die Weltöffent­lichkeit.

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AP

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