Der chinesische Drache baut sich wieder auf
Neues Spiel
Es ist ein prägnanter Einblick in die Branche, den Christian Malorny (Partner/Managing Director/Head of Global Automotive Practice der Unternehmensberatung Kearney) in einem Gastbeitrag im Manager Magazin erlaubt. Vor zehn Jahren habe Volkswagen-Chef Ferdinand Piech wissen wollen, wie denn chinesische Hersteller wie Great Wall und andere chinesische Marken SUVs um 15.000 Dollar auf die Straße bringen können. Man habe Modelle gekauft und zerlegt. Malorny beschreibt eine „hohe Wertanmutung bei Verarbeitung und Design“– und zwar zu Kosten, die 50 Prozent unter denen deutscher Hersteller lagen, samt einem Profit von 15 Prozent Umsatzrendite. Ein Wert, der auf Porsche-Niveau liegt, und den keiner der Massenhersteller schafft.
Damals konnten sich die chinesischen Hersteller jedoch nicht durchsetzen: Sie wurden als Plagiate europäischer Autos verspottet, bei den Crashtests in den frühen 2000er-Jahren fiel man noch durch. Die erste Welle, um den europäischen Markt zu fluten, brach, noch ehe sie begonnen hatte.
Im Jahr 2023 bauen sich die Welle und der chinesische Drache wieder auf – mit ganz anderen Vorzeichen. Man ist absolut firm, was die Batterie-Technologie betrifft, man hat MaterialRessourcen langfristig gesichert. In Bezug auf Software und Digitalisierung ist man auf der Höhe der Zeit oder federführend. Beispiele? Nio lässt auf dem Armaturenbrett einen kleinen Zwerg, der aussieht wie eine Glaskugel, mit dem Fahrer über Mimiken interagieren, die Sprachsteuerung ist immer dabei, man kann Selfies schießen. Das Auto zeigt eine gewisse Verspieltheit, die ins digitale Zeitalter passt, in dem die Frage, wie sich das Fahrwerk eines Autos in einer engen Kurve verhält, langsam, aber sicher obsolet wird. Und bei der Batterietechnik erprobt Nio schon austauschbare Batteriepakete, um langen Ladezeiten zu entgehen.
Ist das Ganze zukunftsträchtig? Immer mehr Stimmen sagen: Ja. Die Beratungsfirma PwC hat in einer Studie festgestellt, dass Europa ab 2025 mehr Autos importieren werde als exportieren, weil nicht nur die Chinesen, sondern auch andere Hersteller verstärkt in China ihre Elektroautos produzieren werden – schon
2025 könnte die Balance in Richtung China kippen.
Dass die Studie keine reine
Kaffeesudleserei ist, zeigen
Vorzeichen.
Etwa, dass der Autovermieter
Sixt 100.000 Fahrzeuge beim chinesischen Hersteller
BYD einkauft. Für die Chinesen ist es ein Eintrittsticket in den Markt, um ihre Autos so Kunden näher zu bringen. Die Ambitionen der Chinesen sind groß, ihre Beharrlichkeit bekannt – sie wollen Fuß fassen und am europäischen Markt, der auf einen rein elektrischen hinausläuft, nicht nur mitspielen, sondern ihn auch mitbestimmen.
Am Beispiel des chinesischen Auto-Managers Li Shufu sieht man, wie vernetzt China in der
Zwischenzeit in der Autobranche ist. Li Shufu hat ein Autoimperium aufgebaut, der Gründer der Marke Geely übernahm Volvo, im Verbund gründete er die neuen Marken Polestar und Lynk, er ist inzwischen mit zehn Prozent an Daimler beteiligt und leistet sich die Liebhaberei Lotus aufzupäppeln oder die London Taxi Company.
Nach gescheiterten Versuchen fluten chinesische Marken Europa mit Elektroautos und könnten die Branche grundlegend verändern. Auch in Österreich.
Didi Hubmann, Mobilitätschef, über die neue elektrische Offensive der Chinesen in Europa