Kein Mangel an edlen Sesseln
Der Grazer Tischler Roland Ebner wohnt mit seiner großen Sammlung an Thonet-Möbeln, zeitgenössischer Kunst und der Bibliothek von Maximilian Schell.
Ein unscheinbares Haus am Grazer Stadtrand. Im Kern aus den 1960er-Jahren, mehrmals erweitert und verändert. Ein aktueller Umbau ist noch nicht (ganz) abgeschlossen. „Hier“, erläutert Roland Ebner im Obergeschoß, das einen grandiosen Ausblick auf die Stadt samt Plabutsch, Gleinalm und Schöckl bietet, „kommt noch eine Schiebetüre.“Dann wäre vorerst einmal Schluss.
Neu ist der Küchen-Esszimmer-Bereich, für den Ebner die Einrichtung entworfen und großteils auch selbst ausgeführt hat. Großteils. Denn was auch hier nicht fehlt, sind Zeugen der großen Leidenschaft des Tischlers, der in Graz ein Küchenstudio betreibt: Möbel von Thonet. Rund um den massiven Esstisch (Design: Ebner) stehen diverse Klassiker des 1819 gegründeten Unternehmens, das in seinen Glanzzeiten mehr als 6000 Beschäftigte zählte und in der K.-u.-k.-Monarchie Wälder in der doppelten Größe der Steiermark sein Eigen nannte.
Über eine neue Treppe geht es von hier in den Dachboden. Er beherbergt eine der international größten Sammlungen von Thonet-Produkten. Dicht an dicht und teilweise übereinander
stehen sie, die Sessel und Stühle, die Hocker und Tische, die Kleiderständer und Regale. Alle gebogen aus Buchenholz, in der genialen Technik des im deutschen Boppard geborenen Tischlermeisters Michael Thonet. Unverkennbar.
Natürlich ist auch der „Consumsessel Nr. 14“vulgo „Thonet 214“präsent. Architekturlegende Le Corbusier attestierte den eleganten Schwingungen „Adel“, für seinen portugiesischen Kollegen Álvaro Siza ist er „der Stuhl schlechthin“. Um seinen weltweiten Siegeszug logistisch zu optimieren, entwickelte Thonet eine exakt einen Kubikmeter große Kiste, in der 36 zerlegte „14er“Platz hatten. Gut verschiffbar nach New York, Buenos Aires und sonst wohin. Der Zusammenbau vor Ort war kein Kunststück.
Roland Ebner kennt die Geschichte jedes Exponats im Detail. Und stößt doch immer noch
auf Überraschungen. Ein unscheinbares Stück, offensichtlich ein Hocker, konnte er erst unlängst erwerben und ist sich ziemlich sicher: „Das gibt es kein zweites Mal.“Vermutlich ein in der Mitte des 19. Jahrhunderts hergestellter Prototyp, der es nicht in die Produktion schaffte.
Ebners zweite Passion gehört der Kunst. Verstärkt, „weil es im Thonet-Bereich nur mehr selten Neues zu finden gibt“. Siehe Prototyp. Das Sammelspektrum ist ein sehr offenes: „Ich kaufe, was mir gefällt.“Nachsatz: „Und was ich mir leisten kann.“Drucke von Gottfried Helnwein, ein Original von Arnulf Rainer, eine Radierung von Gregor Traversa, großformatige Gemälde des Syrers Adel Dauood, eine Arbeit aus Wilfried Gerstels „Wonder Woman“-Serie, ein beeindruckendes Beispiel von Ilse Haiders raffinierter dreidimensionaler Op-Art. Um ein paar Beispiele zu nennen. Neben Thonet ist bildende Kunst in diesem Haus ohnehin omnipräsent. Selbst im Keller. Dort, wo der Hometrainer und Wäscheständer mit diversen anderen nicht permanent benötigten Alltagsutensilien koexistieren, hat ein monumentales Hinterglasbild des Linzers Fritz Aigner (1930 bis 2005) seinen Platz gefunden. Viereinhalb Meter lang ist es und war Teil einer Geschäftsfassade. Wie in fast allen seinen Werken hat sich der Künstler auch hier selbst verewigt.
Apropos Keller: In mehreren Bananenschachtel-Türmen wartet noch die Bibliothek Maximilian Schells nach ihrer Übersiedlung vom Packer Refugium des 2014 verstorbenen Schauspielers auf den nächsten Transfer. In von Roland Ebner entworfene Regale, die derzeit in Arbeit sind: „Vor allem Kunstbücher, viele mit persönlichen Widmungen.“
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Dieser Stuhl, der in Millionen von Exemplaren auf dem europäischen Festland und in beiden Amerika in Gebrauch ist, besitzt Adel.
Le Corbusier “