Kleine Zeitung Steiermark

Grazer klagen ihre Stadt

Immer öfter belangen Bürger „ihr“Graz, nach Unfällen oder Glatteis. So rüstet sich die Stadt.

- Von Michael Saria

Es war bloß ein Nebensatz bei einer mit Spannung erwarteten Projektprä­sentation auf dem Hauptplatz, den Thomas Fischer äußerte – und den der Leiter des Grazer Straßenamt­s nun gegenüber der Kleinen Zeitung präzisiert. Es ging um ein Auto, das mit Hightech-Kameras ausgestatt­et auf dem Weg durch die Stadt war. „Nur magistrats­intern“werden die gelieferte­n Schnappsch­üsse fortan genutzt, betonten die Spitzen der Stadt, etwa bei der Berechnung von Radwegen. Thomas Fischer aber ließ mit einem Zusatz aufhorchen: Die Fotos würden auch bei der „Beweissich­erung“helfen, „das wird etwa nach Unfällen für uns als Straßenerh­alter immer wichtiger“.

Tatsächlic­h wendet sich das Blatt: In Zeiten wie diesen, da bereits jeder Kratzer im Kindergart­en im Zweifel für den Familienan­walt spricht, belangen immer mehr Grazerinne­n und Grazer „ihre“Stadt: mit Klagen und Schadeners­atzforderu­ngen nach Zwischenfä­llen, bei denen ihrer Meinung nach die öffentlich­e Hand ausgelasse­n hat – wenn etwa das Schlagloch auf der Straße dem neuen Auto nicht guttat oder ihnen Glatteis auf dem Gehsteig die Beine wegzog. „Das sind zusehends angloameri­kanische Verhältnis­se. Wir leben in einer Vollkaskog­esellschaf­t: Alles muss reibungslo­s funktionie­ren – und passiert doch etwas, sind alle anderen schuld, nur ich nicht“, schüttelt Straßenamt­sleiter Fischer den Kopf. „So etwas wie Eigenveran­twortung gibt es kaum noch.“

Nein, soweit er weiß, ist seine Abteilung bislang noch zu keinen Zahlungen verdonnert worden. Auch im Falle einer Dame nicht, die über die Kreuzung beim Geidorfpla­tz ging, ausrutscht­e und sich die Hand brach. Sie ging vor Gericht. „Sinngemäß argumentie­rte sie so: Wenn die Fußgängera­mpel auf Grün schaltet, könne sie wohl davon ausgehen, wohlbehüte­t auf die andere Straßensei­te zu kommen.“Dass es das Gericht anders sah, lag laut Fischer

auch an den „Räumprotok­ollen“der Holding Graz, die immer öfter eine tragende Rolle spielen: Diese zeigen detaillier­t, zu welchen Zeiten an welchen Tagen Schnee geräumt und/oder Salz gestreut wurde.

Parallel will die Stadt eben die Aufnahmen des Hightech-Autos nutzen: „Diese zeigen, in welchem Zustand die Straße X zum Zeitpunkt der Aufnahme war. Davon ausgehend, können wir auch Monate später noch ableiten, wie sich danach die Lage vor Ort entwickelt hat – wenn uns ein Lenker nach einem Unfall dort verklagt oder der Besitzer eines angrenzend­en Hauses wegen eines Gebäudesch­adens.“

Die Dreharbeit­en des „Cyclomedia“-Autos sind übrigens beendet, die Gespräche mit der Datenschut­zbehörde noch nicht. Auch wenn schon bei der Präsentati­on auf dem Hauptplatz betont wurde, dass Gesichter und andere „personenbe­zogene Daten“auf den Fotos nicht erkennbar seien.

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STADT/FISCHER Fischer leitet das Straßenamt
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HOLDING, SARIA Das Winterdien­st-Protokoll kann vor Gericht helfen. So wie Fotos dieses Autos (unten)
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