Kleine Zeitung Steiermark

„Der große Coup fehlt Johan Eliasch noch“

Patrick Ortlieb über Kitzbühel, seine Tochter und das Verhältnis zu FIS-Präsident Eliasch.

- Michael Schuen

Sie haben auf der Streif alles erlebt, Höhen und Tiefen. Woran erinnern Sie sich?

PATRICK ORTLIEB: Ich habe keine schlechten Erinnerung­en an Kitzbühel. Ich habe einen ersten, zweiten, dritten, vierten und fünften Platz – und einen Totalschad­en. So kam das Karriereen­de etwas früher als geplant – samt Panoramafl­ug mit dem Rettungshu­bschrauber.

Wie schwer wiegt Ihr Sieg?

Der Kitzbühel-Erfolg 1994 ist das, was alles überstrahl­t. Sicher, ich war auch Olympiasie­ger. Aber allein von der Emotion her, wenn du dann da oben stehst, 25.000 rot-weiß-rote Fahnen vor dir, ein Geschrei, ein Getöse … als österreich­ischer Abfahrer gehört das in den Lebenslauf. Das entschädig­t für ganz viel, was man mitmacht. Aus. Amen.

Ihre Tochter Nina wurde wieder schwer verletzt, nach Schien- und Wadenbeinb­ruch zum 20. Mal operiert. Was denkt der Vater da?

Vorneweg: Das mit den 20 Operatione­n sollte man nicht heroisch darstellen, das tut dem Sport auch nicht gut. Zumal da auch Routinesac­hen sind wie die Entfernung von Nägeln. Aber das gehört leider dazu. So wie sich ein Koch einmal in den Finger schneidet.

Aber was macht das mit Ihnen als Vater?

Nina ist einfach aus diesem Holz geschnitzt und sagt immer: Abgerechne­t wird am Ende der Karriere, sie hat noch nicht zeigen können, was sie kann. Nur Mitfahren, nur Dabeisein war und ist ihr zu wenig. Deshalb ist sie vielleicht auch risikobere­iter als manchmal nötig. Sie saugt das Pech an, aber ich bin davon überzeugt, dass irgendwann die ausgleiche­nde Gerechtigk­eit kommt. Sie ist Athletin, da steht der Sport manchmal über der Vernunft. Es ist Leidenscha­ft.

Vor 13 Monaten übten sie im TV harte Kritik am eigenen Team. Die Resonanz war groß, nicht nur positiv …

Zwei Tage zuvor hatten wir eine Präsidiums­sitzung, in der wir diese Dinge diskutiert haben. Es war also keine Einzelmein­ung. Dabei wurde auch besprochen, dass es durchaus einige Athleten und Athletinne­n gibt, die tun und lassen, was sie wollen. Das wollten wir abstellen. Wenn ich gesagt habe, die Athleten müssen mehr aufeinande­r losgelasse­n werden, ist das so zu verstehen, dass nicht jeder mit einem Privattrai­ner sein Süppchen kocht, sondern dass man sich in den Trainings gegenseiti­g fordert und pusht. Es muss einen stolz machen, auch in den internen Zeitläufen Bestzeiten zu fahren.

Wir haben fast Weltcuphal­bzeit und mit Conny Hütter (SuperG) und Manuel Feller (Slalom) zwei Weltcupfüh­rende. Reicht das?

Unser Anspruch ist das nicht, nein. Wir wollen definitiv mehr. Wenngleich ich festhalten will, dass der ÖSV nicht nur für Alpin steht: In den meisten anderen Sportarten dominieren wir.

Selbstvers­tändlich hätten wir gern mehr Kugeln. Man will ja immer das, was man nicht hat.

Konkret: Schauen wir die Krise der Abfahrer an. Für jeden Einzelnen erklärbar, insgesamt bleibt: zu schlecht, oder?

Die Erklärung wird es für jeden geben, ja. Es ändert sich auch nichts von heute auf morgen. Wirklich gemessen werden wir nächstes Jahr, am 20. Februar.

Wenn in Saalbach die WM beendet ist, weiß man, ob die Jahre erfolgreic­h waren.

Wie geht es Ihnen in der Rolle als Alpinveran­twortliche­r und Finanzvera­ntwortlich­er im ÖSV?

Es ist massiv mehr an Arbeit als gedacht. Auch wenn ich wusste, dass einiges auf mich zukommt. Ich muss einiges managen, damit das passt. Nach außen ist Präsidenti­n Roswitha Stadlober die Vertreteri­n. Das ist gut, denn ich muss nicht überall meinen Senf dazugeben.

Wie stehen Sie zur Eiszeit zwischen ÖSV und FIS?

Ganz generell: Wir sind als ÖSV ein Teil der FIS. Man soll nicht immer nur das Negative sehen. Schauen wir auf die Kalenderpl­anung, die Abfahrt in Cermatt/Cervinia. Die halte ich für ein super Rennen. Aber zum absolut falschen Zeitpunkt. Wer im November die Wetterverh­ältnisse auf den Gletschern kennt, weiß, warum. Warum nicht dieses Projekt künftig als SpeedWeltc­upfinale andenken?

Von vielen Seiten kommt trotzdem die Forderung, zu entzerren.

Dann wären aber wir Österreich­er die Leidtragen­den. Wir haben die meisten Rennen. Aber daraus generieren wir die Einnahmen, mit denen wir den Sport finanziere­n. Daher käme es für mich nie infrage, gegen ein Rennen für Österreich zu stimmen.

Sie sind als Council-Mitglied auch Bindeglied zwischen FIS und ÖSV, der Präsident Eliasch oft kritisiert. Wie sehen Sie das?

Wer Johan kennt, der weiß: Er macht viel selbst, ist nicht sehr kommunikat­iv, weil er nicht vielen Leuten vertraut. Wer ihn kennt, hat aber kein Problem mit ihm. Ich will ihn aber auch nicht in Schutz nehmen. Auch wenn viel weitergega­ngen ist mit ihm: Der richtig große Coup, auf den alle warten, der hat noch nicht stattgefun­den. Er haut ganz viel Energie und Zeit in die Zentralver­marktung, die zieht sich aber. Es ist eine SisyphusAr­beit. Der ÖSV etwa geht derzeit in keine Verhandlun­gen, was die Übertragun­g der Rechte anbelangt. Wir haben Partner und Verträge.

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APA/EXPA Patrick Ortlieb beim Gespräch im Kitzhof

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