„Der große Coup fehlt Johan Eliasch noch“
Patrick Ortlieb über Kitzbühel, seine Tochter und das Verhältnis zu FIS-Präsident Eliasch.
Sie haben auf der Streif alles erlebt, Höhen und Tiefen. Woran erinnern Sie sich?
PATRICK ORTLIEB: Ich habe keine schlechten Erinnerungen an Kitzbühel. Ich habe einen ersten, zweiten, dritten, vierten und fünften Platz – und einen Totalschaden. So kam das Karriereende etwas früher als geplant – samt Panoramaflug mit dem Rettungshubschrauber.
Wie schwer wiegt Ihr Sieg?
Der Kitzbühel-Erfolg 1994 ist das, was alles überstrahlt. Sicher, ich war auch Olympiasieger. Aber allein von der Emotion her, wenn du dann da oben stehst, 25.000 rot-weiß-rote Fahnen vor dir, ein Geschrei, ein Getöse … als österreichischer Abfahrer gehört das in den Lebenslauf. Das entschädigt für ganz viel, was man mitmacht. Aus. Amen.
Ihre Tochter Nina wurde wieder schwer verletzt, nach Schien- und Wadenbeinbruch zum 20. Mal operiert. Was denkt der Vater da?
Vorneweg: Das mit den 20 Operationen sollte man nicht heroisch darstellen, das tut dem Sport auch nicht gut. Zumal da auch Routinesachen sind wie die Entfernung von Nägeln. Aber das gehört leider dazu. So wie sich ein Koch einmal in den Finger schneidet.
Aber was macht das mit Ihnen als Vater?
Nina ist einfach aus diesem Holz geschnitzt und sagt immer: Abgerechnet wird am Ende der Karriere, sie hat noch nicht zeigen können, was sie kann. Nur Mitfahren, nur Dabeisein war und ist ihr zu wenig. Deshalb ist sie vielleicht auch risikobereiter als manchmal nötig. Sie saugt das Pech an, aber ich bin davon überzeugt, dass irgendwann die ausgleichende Gerechtigkeit kommt. Sie ist Athletin, da steht der Sport manchmal über der Vernunft. Es ist Leidenschaft.
Vor 13 Monaten übten sie im TV harte Kritik am eigenen Team. Die Resonanz war groß, nicht nur positiv …
Zwei Tage zuvor hatten wir eine Präsidiumssitzung, in der wir diese Dinge diskutiert haben. Es war also keine Einzelmeinung. Dabei wurde auch besprochen, dass es durchaus einige Athleten und Athletinnen gibt, die tun und lassen, was sie wollen. Das wollten wir abstellen. Wenn ich gesagt habe, die Athleten müssen mehr aufeinander losgelassen werden, ist das so zu verstehen, dass nicht jeder mit einem Privattrainer sein Süppchen kocht, sondern dass man sich in den Trainings gegenseitig fordert und pusht. Es muss einen stolz machen, auch in den internen Zeitläufen Bestzeiten zu fahren.
Wir haben fast Weltcuphalbzeit und mit Conny Hütter (SuperG) und Manuel Feller (Slalom) zwei Weltcupführende. Reicht das?
Unser Anspruch ist das nicht, nein. Wir wollen definitiv mehr. Wenngleich ich festhalten will, dass der ÖSV nicht nur für Alpin steht: In den meisten anderen Sportarten dominieren wir.
Selbstverständlich hätten wir gern mehr Kugeln. Man will ja immer das, was man nicht hat.
Konkret: Schauen wir die Krise der Abfahrer an. Für jeden Einzelnen erklärbar, insgesamt bleibt: zu schlecht, oder?
Die Erklärung wird es für jeden geben, ja. Es ändert sich auch nichts von heute auf morgen. Wirklich gemessen werden wir nächstes Jahr, am 20. Februar.
Wenn in Saalbach die WM beendet ist, weiß man, ob die Jahre erfolgreich waren.
Wie geht es Ihnen in der Rolle als Alpinverantwortlicher und Finanzverantwortlicher im ÖSV?
Es ist massiv mehr an Arbeit als gedacht. Auch wenn ich wusste, dass einiges auf mich zukommt. Ich muss einiges managen, damit das passt. Nach außen ist Präsidentin Roswitha Stadlober die Vertreterin. Das ist gut, denn ich muss nicht überall meinen Senf dazugeben.
Wie stehen Sie zur Eiszeit zwischen ÖSV und FIS?
Ganz generell: Wir sind als ÖSV ein Teil der FIS. Man soll nicht immer nur das Negative sehen. Schauen wir auf die Kalenderplanung, die Abfahrt in Cermatt/Cervinia. Die halte ich für ein super Rennen. Aber zum absolut falschen Zeitpunkt. Wer im November die Wetterverhältnisse auf den Gletschern kennt, weiß, warum. Warum nicht dieses Projekt künftig als SpeedWeltcupfinale andenken?
Von vielen Seiten kommt trotzdem die Forderung, zu entzerren.
Dann wären aber wir Österreicher die Leidtragenden. Wir haben die meisten Rennen. Aber daraus generieren wir die Einnahmen, mit denen wir den Sport finanzieren. Daher käme es für mich nie infrage, gegen ein Rennen für Österreich zu stimmen.
Sie sind als Council-Mitglied auch Bindeglied zwischen FIS und ÖSV, der Präsident Eliasch oft kritisiert. Wie sehen Sie das?
Wer Johan kennt, der weiß: Er macht viel selbst, ist nicht sehr kommunikativ, weil er nicht vielen Leuten vertraut. Wer ihn kennt, hat aber kein Problem mit ihm. Ich will ihn aber auch nicht in Schutz nehmen. Auch wenn viel weitergegangen ist mit ihm: Der richtig große Coup, auf den alle warten, der hat noch nicht stattgefunden. Er haut ganz viel Energie und Zeit in die Zentralvermarktung, die zieht sich aber. Es ist eine SisyphusArbeit. Der ÖSV etwa geht derzeit in keine Verhandlungen, was die Übertragung der Rechte anbelangt. Wir haben Partner und Verträge.