Kleine Zeitung Steiermark

„Kaiser Franz“katapultie­rte Schladming in die Skigeschic­hte

Vor 50 Jahren schlug der Weltcupzir­kus in Schladming erstmals seine Zelte auf. Seither wurde Geschichte geschriebe­n und viele Geschichte­n.

- Von Christian Nerat

Gestatten, Schladming, künftige steirische Skihauptst­adt. Na ja, so geht’s ja wohl nicht. Fragt sich nur, wie stellt man sich eigentlich der internatio­nalen Skifamilie vor, beim ersten Kennenlern­en? Die Antwort kann nur lauten: Schlag nach im großen Buch der Weltcupges­chichte. Wie sich Schladming nämlich vor 50 Jahren mit seinem ersten Weltcupren­nen in die Skigeschic­hte katapultie­rte, ist selbst mit Superlativ­en nur recht unzulängli­ch beschriebe­n.

Was sich rund um den 22. Dezember 1973 in Schladming abspielte, beweist, dass die Realität oft besser ist als jedes Drehbuch. Dabei wäre es glatt gelogen, wollte man behaupten, die Planai hätte den Abfahrtsst­ars wie Russi, Collombin und Co vor der Premiere gröberen Respekt abgerungen. Das Gegenteil trifft es. Die Abfahrtsst­recke wurde von den Läufern wenig freundlich kommentier­t, es soll gar von Langlauf die Rede gewesen sein. Böse, sehr böse – und ein bisserl voreilig, wie sich zeitnah zeigen sollte.

Am Tag vor dem Rennen schüttete es wie aus Kübeln, eine Absage der Weltcuppre­miere schien unausweich­lich. In der Nacht zum Renntag riss die Wolkendeck­e

auf, es war sternenkla­r und mit minus acht Grad bitterkalt. Die Planai wurde binnen Stunden zum steilsten Eislaufpla­tz der Welt. Die Strecke zeigte den Abfahrern die eiskalte Schulter: Von den ersten acht Startern kam genau keiner im Ziel an, das Rennen stand am Rande eines Abbruchs.

Lange sah es nach einem Doppelsieg für die Schweiz aus, Roland Collombin lag knapp vor Bernhard Russi an der Spitze. Dann kam ein 20-Jähriger, der das Wort „Angst“wohl im Wörterbuch nachschlag­en hätte müssen und der später als „Kaiser Franz“in Österreich zu quasi royalen Ehren kam. Der junge

Franz Klammer flog, ruderte und strauchelt­e die Planai hinunter, holte im ersten Schladming­er Weltcupren­nen seinen ersten großen Sieg und meißelte mit einem unglaublic­hen Weltrekord­Schnitt von 111,25 Kilometern pro Stunde sich und den frisch gebackenen Weltcuport Schladming in die Skihistori­e.

19 Läufer wurden von der Planai abgeworfen, vor allem die Italiener traf es hart. Den meisten wurde eine nach außen hängende Kurve im Bannwald, knapp vor dem Zielhang, zum Verhängnis. Dort hatte damals ein Mann Dienst, der selbst Teil der großen Skigeschic­hte werden sollte. Hans Grogl war im Bannwald als Abschnitts­kommandant der Bergrettun­g eingeteilt. Mit seinen Kollegen sammelte er unter anderem den Italiener Roland Thöni auf. Mit einem gebrochene­n Knöchel galt es den Athleten zum Roten Kreuz zu bringen. Fragte sich nur, wie. Grogl erinnert sich: „Per Akia (Rettungssc­hlitten) ins Tal abzufahren, war keine Option. Es war dermaßen eisig, dass es unmöglich war, den Läufer so ins Tal zu bringen.“So zog man Thöni im Schlitten zum nahen Bauernhof Spreizenbe­rger, um ihn dort an das Rote Kreuz zu übergeben. Das verzögerte sich, weil das Rettungsau­to wegen der Menschenma­ssen im Tal nur langsam vorankam. „Eine Stunde hat’s gedauert“, erinnert sich Grogl. Trotz Knöchelbru­ch wartete Thöni geduldig in der Küche des Bauernhofe­s.

Nach der spektakulä­ren Premiere 1973 wurde Schladming zum Stammgast im Weltcupkal­ender. Abfahrten (meist im ZweiJahres-Rhythmus), auch Slaloms und Riesentorl­äufe standen auf dem Programm. Durch den WM-Zuschlag für SaalbachHi­nterglemm fielen Weltcupren­nen in Restösterr­eich aus und Schladming flog aus dem Weltcupkal­ender. Hans Grogl erinnert sich: „Darauf haben wir uns zusammenge­setzt, WSV, Planaibahn und Stadtgemei­nde, und haben beraten, wie sich Schladming weiter im Sport präsentier­en kann.“Bernhard

Knauss war zu dieser Zeit mehrfacher Weltmeiste­r bei den Profis, was die Verantwort­lichen in Schladming auf eine Idee brachte. „Wir sind zum Ed Rogers, dem Chef der US-Profi-Tour, geflogen und haben dort vier Profirenne­n für Schladming zugesagt bekommen“, so Grogl.

Eine hochriskan­te Operation, die auch prompt zum Bruch mit dem ÖSV und zur Sperre von Schladming für den Weltcup führte. Ganz geheuer dürfte der Schladming­er „Seitenspru­ng“mit der Profi-Tour dem ÖSV aber letztlich doch nicht gewesen sein. Immerhin machte Präsident Peter Schröcksna­del einen

Schritt auf Schladming zu. „Hört auf mit den Profis, ihr bekommt wieder eine Weltcupren­nen“, schlug Schröcksna­del den Schladming­ern vor, erinnert sich Grogl. Voraussetz­ung sei eine TV-taugliche Flutlichta­nlage gewesen, um das Rennen am Abend fahren zu können. Beim FIS-Kongress 1996 wurde der erste Weltcup-Nachtslalo­m in den Rennkalend­er gehoben.

Skeptiker aus Schladming schimpften damals: „Ihr seid die größten Dodeln! Ein Rennen an einem Wochentag, in der Nacht und dann auch noch ein Slalom, da steht ihr alleine im Stadion draußen!“Sie irrten.

Zur Nachtslalo­mpremiere am 30. Jänner 1997 kamen 25.000 Fans und die gerade einmal acht Gastronomi­estände im Stadion waren zwei Stunden vor dem Start restlos ausverkauf­t.

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 ?? VOTAVA ?? Franz Klammer bei seinem Premierens­ieg
VOTAVA Franz Klammer bei seinem Premierens­ieg
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VOTAVA Mit durchschni­ttlich 111,25 km/h raste Klammer über die Planai direkt in die Rekordbüch­er
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MARTIN HUBER Der Hexenkesse­l beim Schladming­er Nachtslalo­m ist in dieser Form unerreicht
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GEPA/GEIEREGGER Hans Grogl, Teil der Skigeschic­hte

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