Eine Veteranin sucht das Gespräch
Fernsehmoderatorin Caren Miosga (54) tritt in die Fußstapfen von Anne Will. Die hat sie schon einmal erfolgreich ausgefüllt.
Es ist 2014 und Caren Miosga steht auf dem Moderationstisch ihres „Tagesthemen“-Studios, während sie „Oh captain, my captain“in die Kamera spricht. Eine Würdigung für Robin Williams, der kurz zuvor verstorben war, „einen der größten Schauspieler“, wie sie sagt. „Man muss die Dinge manchmal aus einer anderen Perspektive sehen“, erklärte die Fernsehmoderatorin Caren Miosga damals ihre ungewöhnliche Tisch-Geste.
Für lange Zeit war die souveräne Norddeutsche mit ihrer üblichen „Tagesthemen“-Perspektive sehr zufrieden. 16 Jahre, zwei Monate und 19 Tage war sie Moderatorin einer der wichtigsten Nachrichtensendungen Deutschlands und damit länger im Amt als Langzeitkanzlerin Angela Merkel. Im vergangenen Herbst war dann Schluss: Einen tanzenden Snoopy gab es zum
Abschluss vom Kollegen Jens Riewa, dazu ein Abschluss-Foto, Applaus und Schluss war eine ARD-Ära. Miosga zog es weiter, mit 54 wollte sie es noch einmal wissen, den nächsten Karriereschritt wagen.
Heute schlägt die mit einem Pathologen verheiratete Mutter von zwei Teenager-Töchtern noch einmal ein neues Kapitel auf. Eine eigene Talkshow, nach ihr benannt, am besten Sendeplatz und beachtlich entlohnt: 19.000 Euro soll sie pro Sendung erhalten, ergibt bei 30 Sendungen pro Jahr 570.000 Euro. Die
Deutsche erlebt einen Neustart, der sehr nach Déjà-vu schmeckt: Als sie 2007 die „Tagesthemen“übernommen hatte, bekam sie das Staffelholz von Anne Will überreicht. 17 Jahre später übernimmt Miosga Talkshow und Sendeplatz von ihrer drei Jahre älteren Kollegin. Aus „Anne Will“wird „Caren Miosga“und die ARD setzt in turbulenten Zeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Kontinuität. „Wir wollen keinen Krawall inszenieren“, erklärte Miosga im Gespräch mit dem „Spiegel“ihren Zugang: „Wir
” Wir möchten die Runde nicht so besetzen, dass alle einander die Köpfe einschlagen.
Caren Miosga “
möchten die Runde nicht so besetzen, dass alle einander die Köpfe einschlagen.“
Demgegenüber steht ihre Ankündigung, einen anderen Umgang mit der AfD pflegen zu wollen. „Wir stehen vor Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In allen drei Bundesländern liegt die AfD vorn, also müssen wir sie einladen“, sagt Miosga, nur um einzuschränken: „Es gibt in dieser Partei jene, die so krass rechtsextrem sind, dass sie ebenfalls keine Einladung bekommen werden.“Auch seien manche AfD-Politiker „Meister im Errichten von Lügengebäuden“, da käme man mit dem Überprüfen der Aussagen nicht hinterher.
Bauernproteste, Budgetloch und Krieg in Europa. Instabile Zeiten liefern nicht das schlechteste Umfeld, um eine neue politische Talkshow in die Welt zu setzen. „Miosga“startet trotzdem mit gehörigem Gegenwind: Nicht nur sind die öffentlich-rechtlichen TV-Tanker in gefährlichem Gewässer, auch das Talk-Genre hat schon bessere Zeiten erlebt. „Anne Will“, „Hart aber fair“, „Maischberger“, „Maybrit Illner“und „Markus Lanz“– sie alle verloren 2023 an Reichweite. Caren Miosgas Vorgängerin hatte die höchste Fallhöhe: Knapp drei Millionen Deutsche schalteten jede Woche ein, der Marktanteil betrug im Vorjahr 13,1 Prozent.
Unter den Talk-Moderatorinnen ist Miosga die Neue in einer Riege der Langgedienten: Maischberger talkt seit 2003, Maybrit Illner bereits seit 1999. Die große Dichte lang gedienter Fernsehfrauen führt mitunter zu kuriosen Situationen. Etwa als Wolfgang Ischinger, früherer Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Miosga vor zwei Jahren konsequent auch dann noch als „Frau Slomka“ansprach, als ihn diese freundlich auf den Fauxpas hingewiesen hatte.