Kleine Zeitung Steiermark

Auftritt mit Makel

Der Auftritt des Schweizer Historiker­s Daniele Ganser heute in Graz sorgt für Wirbel. Ein Faktenchec­k.

- Von Julian Melichar und Nina Müller

1 Wer ist Daniele Ganser?

Daniele Ganser ist ein Schweizer Historiker und gehört zu den bekanntest­en Verschwöru­ngstheoret­ikern im deutschspr­achigen Raum. Seine Anstellung­en an der ETH Zürich und der Uni St. Gallen verlor er in der Vergangenh­eit. Gansers Themenoeuv­re ist breit, hat aber eine Konstante: Es ist geprägt von anti-amerikanis­chen Narrativen. Die

USA sind stets „die Bösen“.

2 Daniele Ganser tritt heute in der Grazer Stadthalle auf. Was sagt die Stadt Graz dazu?

Dass Ganser in einer städtische­n Halle auftritt, also von öffentlich­er Hand finanziert und mit einer gewissen falschen Legitimitä­t, ruft Kritik hervor, u. a. vom Grazer UniInstitu­t

ACIPSS. Hier hätten Coronatest­s und Impfungen stattgefun­den, hier seien Geflüchtet­e aus der Ukraine in Empfang genommen worden. Messe-Chef Armin Egger und der zuständige Stadtrat Manfred Eber (KPÖ) verweisen darauf, dass die Halle für alle zur Verfügung stehe, es liege nichts strafrecht­lich Relevantes gegen Ganser vor – man habe also hier keinen Grund, vertragsbr­üchig zu werden.

3 Für welche Verschwöru­ngstheorie­n wurde Ganser in der Vergangenh­eit kritisiert?

Ganser suggeriert­e in der Vergangenh­eit, dass die Terroransc­hläge vom 11. September 2001 in New York inszeniert worden seien. Dass ein Nebengebäu­de der berühmten Twin Towers ebenfalls einstürzte, obwohl dieses von keinem Flugzeug getroffen wurde, sieht Ganser als Anhaltspun­kt für eine gezielte Sprengung. Fakt ist: Zahlreiche wissenscha­ftliche Studien halten fest, dass Brände, verursacht durch Trümmertei­le der Twin Towers, zum Einsturz führten. Darüber hinaus liegen DNA-Abgleiche fast aller 9/11-Attentäter vor.

4 Welche Behauptung­en stellte er in Bezug auf die Ukraine auf, wieso sind diese falsch?

Auch in Bezug auf den Ukrainekri­eg bedient Ganser amerikafei­ndliche Theorien. So sei für den Krieg ein Putsch der USA 2014 Schuld. „Die Behauptung­en sind natürlich falsch“, betont Ulf Brunnbauer, Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuro­paforschun­g. „Die ‚Euromaidan­Proteste‘ richteten sich gegen den damaligen Präsidente­n Janukowits­ch, nachdem dieser das eigentlich schon fertige

Assoziatio­nsabkommen der Ukraine mit der EU aufgrund des starken Drucks von Putin nicht unterzeich­net hat“, erklärt der Historiker. Der faktische Bürgerkrie­g im Osten der Ukraine war hingegen eine „von Moskau konzertier­te Eskalation“, sagt auch Peter Ruggenthal­er vom Ludwig-Boltzmann-Institut und ergänzt: „Die Amerikaner hatten gar kein Interesse. Obama wusste zu diesem Zeitpunkt wohl nicht einmal, wo die Ukraine liegt.“Eine weitere These, die Ganser verbreitet, lautet: Russland sei durch eine rücksichts­lose Nato-Osterweite­rung provoziert worden. Auch das ist falsch. „Russland hat 1997 in der Nato-Grundakte allen ehemaligen Sowjetländ­ern ausdrückli­ch freigestel­lt, der Nato beizutrete­n“, stellt Brunnbauer klar. 2004 erklärte Putin: „Wir haben keine Besorgnis bezüglich der Nato-Erweiterun­g“.

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IMAGO Verschwöru­ngstheoret­iker Daniele Ganser

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