„Sitzen Sie keiner Propaganda auf“
„Community Nurses“sind laut Johannes Rauch gesichert, Impfskepsis ist weiter ein Problem.
Die EU-Förderung für „Community Nurses“, die in der Steiermark in 30 Gemeinden aktiv sind, läuft mit Ende des Jahres aus. Wird es hier seitens Ihres Ministeriums Finanzierungsunterstützung geben?
Das ist gesichert, das ist eines unserer erfolgreichsten Projekte. „Community Nurses“besuchen Menschen zu Hause. Tragen dazu bei, dass ältere Menschen länger zu Hause bleiben können. Vermeiden Krankenhaus- und Heimaufenthalte. Wir haben die Finanzierung im Pflege- fonds verankert, im Rahmen des Finanzausgleiches. Die Fi- nanzierung ist für die nächsten fünf Jahre gesichert.
Die Pharmaindustrie muss 700 relevante Medikamente für den österreichweiten Bedarf von vier Monaten bevorraten. Ab wann wird das schlagend?
Diese Verordnung muss von der Europäischen Kommission no- tifiziert werden, wird aber noch dieses Jahr in Kraft treten. In dieser Zeit wird das Lager auf- gebaut, im kommenden Winter wird es bereits greifen.
Dennoch bleibt die Abhängigkeit auch beim Kauf auf Vorrat aus dem Ausland weiterhin groß. Wie kann Österreich gegensteuern?
Auf europäischer Ebene ist das ein großes Thema, alle Mit- gliedsstaaten haben dasselbe Problem. Wir beklagen uns, dass wir beim Gas eine Abhän- gigkeit von 80 Prozent von Russland haben, haben bei ein- zelnen Medikament-Wirkstof- fen aber eine 90-Prozent-Ab- hängigkeit von einem Herstel- ler. Wir brauchen eine europäi- sche Strategie – mit der Wiederansiedlung von Produk
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)
tionsstandorten in Europa.
Sie waren am Freitag zu Gast am RCPE der TU Graz. Hier wurde ein Fertigungsverfahren entwi- ckelt, mit dem man Medikamen- te rasch produzieren könnte. 120 Millionen Euro hätte die Umset- zung der Pilotanlage gekostet, die Finanzierung wurde 2023 vonseiten der Politik auf Eis ge- legt. Gibt es hier Neuigkeiten? Konkrete Förderungen für das RCPE müssen wir uns mit dem zuständigen Wirtschaftsmi- nister anschauen. Die Pharma- branche leistet aber einen wertvollen Beitrag zur Wert- schöpfung in diesem Land.
In diesem Winter war die Grip- peimpfung neu organisiert, laut ÖGK liegt die Impfrate mit 8,3 Prozent österreichweit unter den angestrebten elf Prozent. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Impfrate im nächsten Jahr höher ausfällt?
Es war ein Riesenkampf, dieses Impfprogramm hinzubekom- men. Zusammen mit allen Be- teiligten – also Bund, Ländern, Sozialversicherung – werden wir evaluieren, was wir in der nächsten Grippesaison verbes- sern können. Wir haben aber ein Problem mit der Impfskepsis. Die hat entlang der Pandemie und einer üblen Propaganda, die stattgefunden hat, dass Menschenversuche stattfinden, eine Weltverschwörung dahintersteckt, zugenommen – das hat Ausmaße angenommen, die Menschen dazu gebracht haben, auch lebensnotwendige Impfungen nicht mehr in Anspruch zu nehmen.
Wir sehen zum Beispiel in der Steiermark, dass die Keuchhustenfälle zuletzt stark zugenommen haben.
Dieser Wissenschaftsfeindlichkeit entgegenzutreten, ist eine Riesenherausforderung. Und ich sage es jetzt einmal deutlich: Wer in einem Ausmaß, wie das die FPÖ macht, Falschinformationen verbreitet, Menschen verunsichert oder davon abhält, dass Kinder bestimmte Impfungen bekommen, der gefährdet Menschenleben. Mein Appell an dieser Stelle ist: Sprechen Sie nicht mit Ihrem FPÖAbgeordneten, sprechen Sie mit Ihrem Arzt, sprechen Sie mit Ihrer Ärztin. Gehen Sie hin und lassen Sie sich beraten, sitzen Sie nicht irgendwelchen Propaganda-Geschichten auf, es kann das Leben Ihres Kindes oder Ihr eigenes gefährden.
Wird es weitere Initiativen vonseiten Ihres Ministeriums geben, dieser Impfskepsis zu begegnen?
Wir sind im Austausch mit der Ärzteschaft, dass das aktiv in den Ordinationen angesprochen wird. Das ist der beste Weg. Impfkampagnen von oben, das haben wir gemerkt, nützen alleine wenig. Es wirkt nicht, weil das eine Frage des Vertrauens ist, und das Vertrauen liegt bei der Hausärztin, beim Hausarzt. Martina Marx