Der Europäer sucht eine neue Bühne
Dass Othmar Karas bei der Nationalratswahl antritt, wird immer unrealistischer. Ein Team fehlt genauso wie die Finanzierung. Abschreiben sollte man den Paradeeuropäer aber nicht. Schließlich hat er ein Ziel.
Wer wen? Darauf lässt sich der gewaltsame – heute würde man sagen: der verpflichtende – Teil des Politischen reduzieren. Nicht weniger wichtig für Politik ist aber die Frage „wann was?“.
Vor dieser Entscheidung steht Othmar Karas seit seinem Entschluss, der ÖVP den Rücken zu kehren. Der erste Schritt erfolgte im Oktober 2023, als der Vizepräsident des Europäischen Parlaments erklärte, bei der EU-Wahl am 9. Juni nicht mehr anzutreten.
Seitdem stellt sich die Frage: Welchen nächsten Schritt setzt Karas? Denn dass sich der 66-jährige Niederösterreicher einfach zur Ruhe setzt, gilt als ausgeschlossen. Erstens ist Karas ein Überzeugungstäter in Sachen Europa, zweitens verfolgt er noch ein Lebensziel: Er will Alexander Van der Bellen als Bundespräsident nachfolgen. Doch weil die Hofburg-Wahl erst Ende 2028 ansteht, braucht Karas bis dahin eine Bühne, um präsent und relevant zu bleiben.
Eine erneute Kandidatur für das EU-Parlament ist wenig verlockend, wenn man dessen Vizepräsident ist und keine Aussicht mehr auf solch einen einflussreichen Posten hat. Dazu bräuchte es nämlich die Unterstützung der wohl auch künftig stimmenstärksten Fraktion, der EVP. Doch die ist seit dem Bruch mit der ÖVP Geschichte.
Ein Antreten bei der Nationalratswahl
ist grundsätzlich eine Option, wird allerdings zunehmend unwahrscheinlicher. Sollte Kanzler Karl Nehammer die Wahl mit der EU-Wahl am 9. Juni zusammenlegen, wofür es einige Hinweise gibt, wird die Zeit für Karas zu knapp. Doch auch für den regulären Wahltermin Ende September schaut es düster aus.
Dazu braucht es ein attraktives Team, das eben nicht allein aus den üblichen honorigen Senioren und Ex-Politikern besteht, sowie die entsprechende Finanzierung. Beides gibt es bis dato nicht. Es müsste schon ein mittleres Wunder geben, um das noch zu ändern. Zumal es selbst im Falle einer erfolgreichen Kandidatur an Perspektiven mangelt: Die Chance auf ein Ministeramt in einer bunten Koalition wäre höchstens theoretisch, wahrscheinlicher dagegen ein Schicksal als
Minifraktion auf den Hinterbänken.
Karas‘ bisheriger medialer Sexappeal fußte auf dem Umstand, dass da ein ÖVPler seine eigene Partei gern und scharf kritisiert. Das ist, egal bei welcher Partei, immer eine Schlagzeile. Seit dem Bruch mit der ÖVP ist das anders. Reinhold Mitterlehner ist – weil immer noch ÖVP-Mitglied – kein Gegenargument.
Für seinen Hofburg-Traum braucht der überzeugte Europäer aber eine Plattform, die ihm die Chance für politische Interventionen, die auch gehört werden, bietet. Ideen und Planspiele gibt es. Gesucht wird eine Rolle, die Europa im Fokus und eine Achse nach Österreich hat. Davon gibt es nicht viele, aber einige doch. Bis zum Sommer braucht Karas eine Antwort auf die Frage: Was wann? Wenn er dann noch keine gefunden hat, droht sein Traum zu platzen.