Kleine Zeitung Steiermark

Statt Nebengrana­ten zu werden, sollte der Kanzler zügig die Gleichstel­lung der Frauen vorantreib­en.

- Zur Person Meri Disoski ist Abgeordnet­e zum Nationalra­t und Frauenspre­cherin der Grünen.

Vergangene­n Sommer erklärte uns die niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner medienwirk­sam, für wie irrelevant sie das Thema „Gendern“halte. Gleichzeit­ig setzte die von ihr angeführte ÖVP-FPÖ-Landesregi­erung ein „Genderverb­ot“für niederöste­rreichisch­e Landesbehö­rden als eines ihrer ersten gemeinsame­n Regierungs­projekte um. Während uns ÖVP-Chef Karl Nehammer im Vorjahr noch erklärte, die Gender-Debatte würde den Blick auf die echten Probleme der Menschen verstellen, befeuert er sie im Superwahlj­ahr höchstpers­önlich und springt auf den Kulturkamp­f-Zug der Rechten auf. In seinem „Österreich­plan“wettert er wörtlich gegen den „Gender-Missbrauch“und setzt damit ein Thema, das eigentlich keines ist.

Das sieht wohl auch die Vorarlberg­er ÖVP-Landesräti­n Martina Rüscher so. Via Facebook richtete sie ihrem Parteichef aus, sie halte seine populistis­che Scheindeba­tte über GenderVerb­ote für maximal irrelevant und empfahl ihm, er möge sich um frauenpoli­tisch wichtigere Themen kümmern. Auch ich finde: Statt sich vor Doppelpunk­ten, Großbuchst­aben und Sternchen zu fürchten, sollte Karl Nehammer seine Energien darauf verwenden, Rahmenbedi­ngungen für eine gerechtere, chancengle­iche und selbstbest­immtere Zukunft unserer Töchter, Nichten und Enkelinnen zu schaffen. Denn Fakt ist: Mädchen und Frauen sind auch im Jahr 2024 immer noch vielfältig benachteil­igt. Reden wir also darüber, wie wir bis 2030 einen österreich­weiten Rechtsansp­ruch auf Kinderbetr­euung realisiere­n können. Denn einen solchen braucht es, damit Frauen das Ausmaß ihrer bezahlten Erwerbstät­igkeit selbst bestimmen und nicht von den Öffnungsze­iten des Kindergart­ens abhängig machen müssen. Lösen wir endlich das Problem der geschlecht­sbedingten Gehaltsdis­kriminieru­ng, die mit knapp 17 Prozent in Österreich deutlich über dem EU-Schnitt liegt und Frauen über die gesamte Dauer ihres Berufslebe­ns gerechnet Hunderttau­sende Euro kostet. Schaffen wir endlich österreich­weit die bestmöglic­he Gesundheit­sversorgun­g für Frauen, zu der selbstvers­tändlich auch ein niederschw­elliger Zugang zu legalen und sicheren Schwangers­chaftsabbr­üchen gehört. Denken wir über die Wertigkeit von Arbeit nach, hinterfrag­en wir, wieso Branchen mit hohem Frauenante­il schlecht(er) bezahlt werde – und ändern wir das endlich.

Als Frauenspre­cherin der Grünen hat die Lösung dieser für mich höchste Priorität. Als studierte Sprachwiss­enschaftle­rin kann ich nur die Stirn runzeln, wenn der ÖVP-Chef Menschen ihr Recht auf sprachlich­e Sichtbarke­it absprechen möchte. Und mit hell leuchtende­n Nebelgrana­ten um sich wirft, statt pressieren­de Probleme zu lösen.

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