Die Grenzen des alpinen Ski-Rennsports
Die Frauen erlebten in Cortina eine extreme Berg- und Talfahrt. Lara Gut-Behrami hat nach Sieg den Gesamtweltcup im Visier.
Sie werden derzeit hin- und hergerissen, die alpinen Skidamen, auf der Piste ebenso wie auch im emotionalen Bereich. In so gut wie jedem Rennen wird der Balanceakt zwischen Triumph und Tragödie neu definiert. Das Speed-Wochenende in Cortina führte die verschwimmenden Grenzen auf besonders drastische Weise vor Augen. Gestern wurde diese Berg- und Talfahrt fortgesetzt. Während Stephanie Venier mit 30 Jahren ihre beste Saison absolviert und Lara Gut-Behrami nach ihrem 41. Weltcupsieg sogar die große Kristallkugel ins Visier nimmt, war zumindest das Rennen für weitere Läuferinnen vorzeitig zu Ende.
Besonders schwer erwischte es diesmal die in dieser Saison immer besser in Form gekommene Kanadierin Valerie Grenier, die nach sehr guten Teilzeiten im letzten Abschnitt des Super-Gs schwer zu Sturz kam und minutenlang regungslos liegen blieb. Wie schon an den Tagen zuvor kam der Hubschrauber zum Einsatz, sie erlitt eine Schulterverletzung. Siegerin Gut-Behrami zeigte sich zwar „stolz darauf, wie ich im Moment fahre“, steht aber auch unter dem Eindruck der negativen Vorkommnisse. „Es war mit all den Stürzen ein wirklich schräges Wochenende. Ich wollte keine Risiken eingehen, habe einfach versucht, sauber und sicher zu fahren“, erklärte die 32-jährige Schweizerin, die ihre herausragende Technik wieder einmal perfekt zum Einsatz brachte.
Die Dame aus dem Tessin hat mit dem Erfolg nicht nur von der diesmal ausgeschiedenen Cornelia Hütter die Führung in der Super-G-Wertung übernommen, sie wird auch zu einer ernsthaften Konkurrentin für Mikaela Shiffrin im Kampf um den Gesamtweltcup. 195 Punkte liegt Gut-Behrami noch hinter der Amerikanerin, die auf unbestimmte Zeit ausfällt.
Richtig aufwärts ging es auf der klassischen Tofana-Piste für
Stephanie Venier, die als Tageszweite nur 21 Hundertstel langsamer war als die Siegerin. Dabei hatte die Tirolerin ihre Fahrt völlig falsch eingeschätzt und im ersten Moment gar nicht adäquat reagiert. Sie hatte das Gefühl, zu sehr auf der Bremse gestanden zu sein. Erst als sie den wahren Wert ihres Auftritts erkannte, kam Freude auf. „Da, wo ich die Schleife eingelegt habe, war es vielleicht doch nicht so blöd. Ich freue mich jetzt voll. Ich habe zurzeit einen extremen Grundspeed, fühle mich auch wohl beim Kurvenfahren. Das spiegelt sich in den Ergebnissen wider“, erklärte Venier.
Hütter war sehr zerknirscht. Sie verpasste auf Höhe der letzten Zwischenzeit in einer zuvor schon für einige Läuferinnen sehr kniffligen Passage ein Tor. „Es ist ärgerlich, so was darf nicht passieren. Es zipft mich voll an“, sagte die Steirerin nach dem Rückschlag im Kugel-Rennen. „Ich habe gedacht, ich muss für eine halbwegs gute Zeit
mehr riskieren, bin dann zu eng reingefahren, hatte zu wenig Druck auf der Kante und es ist sich von der Linie nicht mehr ausgegangen“, erklärte Hütter. Ihre junge steirische Kollegin Anna Schilcher erreichte bei ihrem Weltcupdebüt ebenfalls nicht das Ziel.
Stark unterwegs war dafür Mirjam Puchner, die jedoch einmal mehr nach tollem Start in der kurzen Gleitpassage im weiteren Verlauf die Linie nicht halten konnte und auf Platz sieben landete. „Ich habe leider das gemacht, was ich momentan immer mache: Ich habe mich zu früh nach innen bewegt“, sagte Puchner nach einem „schwierigen, lehrreichen Wochenende“.
Schon am Dienstag geht es für die Frauen am Kronplatz in Südtirol mit einem Riesentorlauf weiter, und am kommenden Wochenende stehen in Garmisch eine Abfahrt und ein Super-G auf dem Programm. Doch die Rennen sind wegen des nächsten Warmwettereinbruchs gefährdet.