Fernwärme: Umbruch ist naheliegend
Seit 60 Jahren werden Grazer versorgt, heute erwärmen sich 60 Prozent der Haushalte dafür. „Dekarbonisierung“und Streben nach Unabhängigkeit sorgen für Umbruch.
ine Weggabelung brachte vor 60 Jahren die Fernwärmeversorgung in Graz ins Rollen – und nun steht man wieder an einer Kreuzung. Ende der 1950er-Jahre, als die Absätze in weststeirischen Braunkohlerevieren zurückgingen, ließen Landes- wie Stadtpolitiker das Verlegen von Leitungen vorantreiben. 60 Jahre später investiert man Hunderte Millionen Euro, um Emissionen bei der Fernwärmeerzeugung zu reduzieren („Dekarbonisierung“) – und die Unabhängigkeit vom Ausland zu erhöhen. Vordergründig überwiegen die Glückwünsche zum Jubiläum: Immerhin sind heute 60 Prozent der Grazer Haushalte ans 450 Kilometer lange Netz angeschlossen.
EVertreter von Stadt, Holding Graz und den Energieunternehmen Auch das habe geholfen, „die Feinstaubtage in den letzten zehn Jahren um über 70 Prozent zu senken“, sagt Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne). Aber wohin entwickelt sich das Geburtstagskind? Energie Graz: Diese „Tochter“der Energie Steiermark, an der auch die Holding Graz beteiligt ist, sorgt federführend für die Fernwärmeversorgung. Im Jahr 2022 lag das betriebliche Ergebnis vor Steuern (Ebitda) um 37 Millionen Euro im Plus.
Vor- und Rücklauf: Bei einer Fernwärmeleitung dient Wasser als Träger, welches im Erdreich direkt zu den Kunden fließt – „je nach Außentemperatur mit maximal 120 Grad Celsius“, heißt es. Nach der Abgabe der Wärme an die Hausanlage rinnt es mit rund 50 Grad zurück.
Start in den 60er-Jahren
Unabhängigkeit: Lieferte das Kraftwerk Mellach lange Jahre bis zu 80 Prozent der benötigten Energie als Abwärme, ging dieser Anteil zuletzt zurück – parallel stieg die Notwendigkeit, umweltfreundlicher und unabhängiger vom Ausland zu agieren. Daher wurde die Nutzung industrieller Abwärme intensiviert, etwa mit der Marienhütte und der Sappi in Gratkorn: Heute stammt ein Viertel der Fernwärme aus diesen Quellen. Verbrennung: Die nächsten großen Schritte, um Abwärme zu nutzen, betreffen die Verbrennung von Müll und Klärschlamm. Ersteres geschieht ab 2027 im „Energiewerk Graz“in der Puchstraße, wo „ausschließlich nicht mehr recyclingfähige Stoffe“verheizt werden, so Umweltamtsleiter Werner Prutsch.
Schon bald wird dazu die „Umweltverträglichkeitserklärung“(Vorstufe zur UVP) eingereicht. Und ab 2028 wird in der Kläranlage Gössendorf anfallender Schlamm verfeuert. Steinbruch/Tiefenbohrung: Zwei neue Stoßrichtungen sorgen für Aufmerksamkeit: Zum einen geht es um Tiefenbohrungen (Geothermie), um nach oben geholtem Wasser Wärme zu entnehmen und dieses dann wieder dem Boden zu „injizieren“– Probebohrungen in der Oststeiermark sind für Frühjahr geplant. Zum anderen will man beim Steinbruch in Weitendorf bei Wildon den „Sonnenspeicher Süd“mit Kollektoren und Biomassewerk realisieren.
Kosten: „Die großen Infrastrukturprojekte werden längerfristig zu einer Stabilisierung der