„Wie ein dunkler Horvath“
Regisseurin Johanna Wehner im Gespräch mit Produktionsdramaturgin Anna-Sophia Güther über die Proben an Maria Lazars „Der Nebel von Dybern“im Schauspielhaus.
Wie war deine erste Begegnung mit der Dramatikerin
Lazar?
JOHANNA WEHNER: Ich gebe zu: Ich hatte von Maria Lazar noch nie gehört, somit auch noch nichts gelesen. Ich habe zuletzt viele Romanbearbeitungen gemacht, mag aber eigentlich Stückvorlagen sehr gern. Das hatte sich nun schon ein Weilchen nicht mehr ergeben. Dann wurde mir vom Schauspielhaus Graz das Stück von Maria Lazar zum Lesen gegeben und ich habe sofort „Ja“gesagt! Über die Wochen der Arbeit daran bin ich immer verblüffter, dass ihre Texte nicht viel verbreiteter sind, das könnte meiner Meinung nach überall rauf- und runtergespielt werden. Ich finde jedenfalls, dass die Texte sehr viel zu bieten haben, atmosphärisch, sprachlich und thematisch. Ich stehe aber bei Erkunden des Werks auch erst am Anfang,
das ist für mich eine Neuentdeckung, die ich, egal, wie unsere eigene Arbeit nun glücken wird, mit guten Gefühlen und gern mit nach Hause nehme.
Was hat dich am
Ich lese oder gucke sehr ungern Krimis, zum einen, weil mich meistens nicht interessiert, wer es war, zum anderen, weil ich mich schnell fürchte. Schlechte Voraussetzungen also. „Der Nebel von Dybern“liest sich ein bisschen wie ein Krimi, in dem Sinne, dass man wissen will, wie es weitergeht. Hinzu kommt, dass mich verblüfft hat, dass da ein klassischer Stoff daherkommt, der sich wie ein dunkler Horvath liest, der mir noch nie begegnet war und sich dennoch irgendwie geläufig anfühlte. Geläufig, weil ich viele Klassiker inszeniert habe und die Art, wie profund und mit wie
Text
gereizt?
viel Gewicht alltäglich Menschliches in solcher Art von Dramatik verankert ist, mir sehr nah ist. Ist das nicht komisch? Obwohl das Stück bei mir doch auf gar keine Matrix von Rezeptionsgeschichte und Vorkenntnis fällt. Wie eingeschrieben. Die Gesellschaft als Zwangsgemeinschaft, das Private und die Katastrophe und ganz am Ende ein ganz altes literarisches Motiv, zu dem jede:r sofort mindestens drei richtig prominente Beispiele nennen kann – das ich aber nicht verraten will. Wohl doch ein bisschen Krimi …
Es ist ja ein großer Ensembleabend …
Für meine Verhältnisse tatsächlich, ja. Sonst greife ich viel stärker auf Texte zu und da gibt es dann eben ein sehr zwingendes, großes Ensemble. Hier wollten wir den Text, der vielen überhaupt nicht bekannt sein dürfte, sichtbarer lassen, und da das auch ein Stück über den Zerfall ist, macht das mit einer größeren Gruppe auch Sinn.
Was wird die Stimmung des Abends sein?
Tja, das kann man ja nicht am Reißbrett planen. Was ich bislang sehr bedrückend finde, ist, wie sich bei der szenischen Arbeit immer mehr herausschält, dass sich im Angesicht der Katastrophe – in diesem Fall einer menschengemachten, es könnte aber auch eine andere sein – die Gesellschaft spaltet. Das fühlt sich ziemlich bekannt an oder? Man sieht zwar einen Haufen guter Gelegenheiten, sich zusammenzutun, aus der Kraft einer vielstimmigen Gruppe oder aus Beziehung zu schöpfen. Aber die Menschen entscheiden sich konsequent für Abgrenzung, gehen den Weg der Abschottung, der Vermeidung, der Schuldverteilung,
Premiere: 9. Februar, 19.30 Uhr, Schauspielhaus
Regie: Johanna Wehner Bühne: Benjamin Schönecker
Kostüme: Miriam Draxl Musik: Vera Mohrs Dramaturgie: AnnaSophia Güther
Licht: Thomas Trummer Mit: Tim Breyvogel, Otiti Engelhardt, Simon Kirsch, Anna Klimovitskaya, Thomas Kramer, Marielle Layher, Mario Lopatta, Sebastian
Schindegger,
Anke Stedingk des Rückzugs; der Muskel „Gemeinschaft“scheint so gar nicht trainiert. Und es entsteht eine Atmosphäre der Einsamkeit. Das ist poetisch, aber auch bedrückend. Bedrückend, weil man es wiedererkennt.