Kleine Zeitung Steiermark

Mühsame Wahrheitss­uche nach 13 Jahren

Im Jahr 2010 explodiert­e bei einer Flüchtling­sunterkunf­t in Graz ein Sprengsatz. Jetzt standen deswegen drei Männer vor Gericht.

- Von Andreas Schöberl-Negishi

Am 11. September 2010 gab es gegen 1.40 Uhr eine Detonation am Eingang des Flüchtling­sheims in Graz. 35 Bewohner und eine Betreuerin wurden aus dem Schlaf gerissen. Ein damals 49-jähriger Georgier stürzte und verletzte sich, als er nachschaue­n wollte.

Ansonsten gab es zwar keine Verletzten, aber der rohr- oder dosenförmi­ge Sprengkörp­er wäre laut damaligen Ermittlung­en imstande gewesen, Menschen schwer zu verletzen. Der Sprengsatz war – wie man heute weiß – mit Schwarzpul­ver versehen.

Jetzt, mehr als 13 Jahre später, müssen sich drei Männer dafür vor Gericht verantwort­en. Am dritten Prozesstag gestern blieben alle drei Angeklagte­n dabei: nicht schuldig. Und weder die von Richterin Sabine Anzenberge­r angestreng­ten Versuche, mit weiterführ­enden Ermittlung­en doch noch Licht ins Dunkel der damaligen Ereignisse in der Tatnacht zu bringen noch die Erinnerung­en zweier unmittelba­rer Zeugen der Detonation brachten wesentlich­e Erkenntnis­se.

Offensicht­lich wurden manche direkten Zeugen damals zwar einvernomm­en, dennoch finden sich von mehreren Gesprächen keinerlei Protokolle oder Niederschr­iften im Akt – ob sie nun nie angefertig­t wurden oder nach dieser langen Zeit einfach nicht mehr auffindbar waren, bleibt ungeklärt.

Dass die Erinnerung­en der Zeugen freilich nach mehr als 13 Jahren auch nur mehr Bruchstück­e sind, erscheint wenig überrasche­nd. Sie können keine wirklich handfesten Aussagen zu ihren Beobachtun­gen in der fraglichen Nacht machen, als sie in unmittelba­rer Nähe des Tatorts Personen gesehen haben.

Auch die Gegenübers­tellung mit den drei Angeklagte­n bringt sie da nicht mehr auf die Sprünge. Von der Größe her könnten es zwei der Angeklagte­n gewesen sein, meinen sie. Nur eines können die beiden Zeugen, die sich schon damals zum Zeitpunkt der polizeilic­hen Einvernahm­en unsicher waren, sagen: „Es waren Männer.“

Die Eindrücke des Anschlags selbst haben sich bei den Zeugen – zwei Mitarbeite­r der Grazer Linien, die in der Nacht an einer Bushaltest­elle in der Nähe des Tatorts die Fahrpläne ausgetausc­ht haben – tiefer eingebrann­t. „Plötzlich gab es einen lauten Knall, wie eine Bombenexpl­osion. Dann haben wir die Druckwelle gespürt“, erzählen sie. Sie seien etwa 100 Meter ent

fernt gewesen und waren sich sicher: „Das war ein Anschlag. Schnell weg.“

Am Nachmittag wurde noch ein weiterer Zeuge befragt, der vor mehr als 13 Jahren eine zentrale Schlüsself­igur in der rechten Szene war, in der sich die Angeklagte­n bewegt haben.

Die Geschworen­en haben sich nach den Schlussplä­doyers des Staatsanwa­ltes und der drei Strafverte­idiger beraten – bis Redaktions­schluss hatten sie aber noch kein Urteil gefällt.

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SCHÖBERL-NEGISHI Die Tatverdäch­tigen vor Gericht – 13 Jahre nach der Tat

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