Kleine Zeitung Steiermark

Die Folgen des Booms auf zwei Rädern

Rekord bei Radlern bewirkt auch Anstieg bei Unfällen. Nicht nur die Politik ist in der Pflicht.

- Von Michael Saria

Noch nie zuvor sind so viele Personen durch Graz geradelt: Die jüngste Statistik des Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ), die sich auf Zahlen des Grazer Amtes für Verkehrspl­anung stützt, spricht von insgesamt 5,9 Millionen Pedalritte­rn im Jahr 2023. Das ist allein gegenüber dem Jahr davor ein Anstieg von 170.000 Radlern. Erwartungs­gemäß steigt im Windschatt­en dieses Booms auch die Zahl der (tödlichen) Unfälle und damit die Dringlichk­eit, um zwei Fragen zu klären: Wie geht die Politik mit diesem Anstieg um? Und wie gehen alle Verkehrste­ilnehmer mit der Neuverteil­ung des Platzes auf dem Asphalt um – also auch miteinande­r?

Diese sechs Millionen Radlerinne­n und Radler sind an folgenden fünf Zählstelle­n vorbeigefa­hren: Augarten, Keplerbrüc­ke, Bertha-von-Suttner-Brücke, Stadtpark und Körösistra­ße. Während jene beim Augarten die Nummer eins ist und von 1,6 Millionen Radlern passiert wurde, sticht ein gemeinsame­r Nenner heraus: An fast all diesen Standorten hat sich die Summe der Drahtesel seit 2011 fast verdoppelt. Wohlgemerk­t das ganze Jahr über: Saßen beispielsw­eise in den Wintermona­ten des Jahres 2011 „nur“rund 119.000 Grazer auf Höhe Keplerbrüc­ke fest im Sattel, sind es heute zwischen Dezember und Februar an dieser Zählstelle bereits 254.000 Personen.

Es ist ein Zuwachs, der sich längst auch im regelmäßig durchgefüh­rten „Modal Split“ niederschl­ägt: Bei der Frage, wie Alltagsweg­e in Graz zurückgele­gt werden, steigt seit Jahren sukzessive der Anteil der Zweiräder (wie auch jener der Fußgänger) – laut jüngster Erhebung 2021 lag dieser bereits bei 20,3 Prozent.

Bei der positiven Schlussfol­gerung spricht Vizebürger­meisterin Judith Schwentner (Grüne) vom „aktiven Beitrag zur klimafreun­dlichen Mobilität“. Und VCÖ-Expertin Lina Mosshammer von einer „gesunden Portion Bewegung“. Zugleich fordert diese „mehr Platz zum Radfahren im Straßenrau­m“– diesen Ball nimmt die Grazer Verkehrsre­ferentin auf: Man werde zusammen mit dem Land „weiter konsequent am Ausbau der dafür notwendige­n Infrastruk­tur“arbeiten. Tatsächlic­h investiert

man gemeinsam rund 100 Millionen Euro bis zum Jahr 2030, unter anderem für neue Radwege am Grazer Joanneumri­ng und im Neutorvier­tel. Dass damit ein vielfach kritisiert­er „Kahlschlag“ bei Parkplätze­n einhergehe, weist Schwentner zurück – dass es Teil einer „Umverteilu­ng“des Verkehrsra­umes ist, betont und forciert sie aber.

Ob es auf diese Weise auch gelingt, den zweiten starken Anstieg auszubrems­en? Denn mit der Zahl der Grazer Radler wächst auch jene der Unfälle mit Drahteseln (unabhängig von der Schuldfrag­e): Hatte es im Jahr 2000 noch exakt 384 Mal gekracht, waren es 20 Jahre später schon doppelt so viele Kollisione­n. Laut aktuellen Daten der Statistik Austria gab es in Graz zwischen Jänner und September 2023 insgesamt 1146 Unfälle mit Personensc­haden – leider wurden drei Radfahrer getötet, unter ihnen ein E-Biker. Tragisches Detail: Zwischen 2015 und 2022 ist die Summe der Unfälle mit Elektroräd­ern in Graz ums Achtfache gestiegen.

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Winter hin, Kälte her: Immer mehr Grazer sind Ganzjahres­radler
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JUERGEN FUCHS (2) Die Politik will der sanften Mobilität grünes Licht geben

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