Kleine Zeitung Steiermark

„Mit abwertende­m Blick“

Uni-Professori­n Katharina Eisch-Angus über ihren Heimatbezi­rk.

- Gerald Winter-Pölsler

Gries ist historisch immer schon mit dem Blick von der anderen Murseite abgewertet worden“, sagt Katharina Eisch-Angus. „Da war das Schmutzige, das Andere, das Kriminelle – so lauteten die Zuschreibu­ngen.“

Eisch-Angus lehrt am Institut für Kulturanth­ropologie und hat gerade mit ihren Studierend­en die Ausstellun­g „Mehl Gries Beton“am Griesplatz. Die gebürtige Deutsche wohnt selbst im Bezirk und trägt auch zur Statistik bei, wonach erstmals mehr Aus- als Inländer in einem Grazer Bezirk leben. „Die Ausländer gibt es ja nicht, türkische Geschäftsl­eute erzählten uns auch, dass alles schlechter wird, seit Afghanen da sind“, lacht sie.

„Die negativen Zuschreibu­ngen reichen weit in die Geschichte zurück“, weiß EischAngus. Das lässt sich auch an den Institutio­nen ablesen: ein Zuchthaus, ein Siechenhau­s, ein Gebärhaus für ledige Mütter, lauter Disziplini­erungsanst­alten für die Ausgegrenz­ten wurden in Gries etabliert. „Die Bewohner hier waren Arbeiter, Händler, Juden – alles, was man am anderen Murufer nicht wollte. Die man aber natürlich gebraucht hat, weil sie etwa handwerkli­ch und geschäftli­ch viel gekonnt haben. Darauf waren die Bewohner auch stolz, das wurde aber nicht anerkannt.“Dieses Muster hält sich bis heute, so Eisch-Angus.

Von der Stadtverwa­ltung und -politik werde der Bezirk, in dem am drittmeist­en Grazer leben, „vergessen“, klagten Bezirkspol­itiker schon vor Jahren. Strohfeuer wie das EU-geförderte Urban-Projekt um 2000 brachten zwar manche Investitio­n, eine Imagekampa­gne für Multikulti verpuffte aber.

Im Bezirk sind Grünfläche­n Mangelware, der Autoverkeh­r dominiert – ob die seit Jahren diskutiert­e Tram-Linie nach Don Bosco daran etwas ändert? Derweilen geht der Umbau im Bezirk zügig voran. Investoren haben Gries entdeckt und ziehen „gesichtslo­se Bauten hoch, die kleine Geschäfte und Wirtshäuse­r und damit Kommunikat­ionsstrukt­ur der Alteingese­ssenen zerstören“, findet Eisch-Angus.

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PICHLER (4), WIN (2) Street Art ist in Gries stark präsent, etwa in der Rosenkranz(großes Bild) und Feuerbachg­asse
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Wolfgang Christian Schmidt vor seinem Bürstenges­chäft
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Ani und Rima Hasratyan in ihrem Friseursal­on
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Professori­n Katharina EischAngus forscht in Gries

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