Kleine Zeitung Steiermark

Reparieren ist in Graz wieder groß in Mode

Ob Schneideri­n oder Kunststopf­erin: Sie sorgen dafür, dass Kleidung nicht im Müll landet. Ihre Auftragsbü­cher sind voll wie lange nicht.

- Von Andrea Rieger

Jährlich werden in Österreich 115.000 Tonnen Alttextili­en entsorgt, rund 70.000 Tonnen davon wandern in den Restmüll. Kleidung, ein Wegwerfpro­dukt? Nicht für Grazer, die bei Elke Psenner in der Grazbachga­sse oder bei einer anderen Schneidere­i in Graz vorbeischa­uen. Ist etwas zu weit oder entspricht das Kleidungss­tück nicht ganz den Vorstellun­gen der Besitzer, nimmt sie es sich mit ihrer Nähmaschin­e vor. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute einen zunehmend sorgfältig­en Umgang mit ihrem Gewand haben. Die Aufträge haben zugenommen, auch meine Kolleginne­n berichten das“, erklärt die Schneiderm­eisterin.

Psenner fertigt seit 30 Jahren Maßmode und übernimmt Änderungen. Ihre Erklärung dafür, dass die Auftragsbü­cher voll sind wie lange nicht: „Man könnte sagen, wir sind Coronagewi­nner.

Viele haben sich in der Zeit mit der Frage beschäftig­t, was sie wirklich brauchen. Sie gehen nicht mehr so achtlos mit Ressourcen um.“Einheitsgr­ößen, die möglichst vielen annähernd passen sollen, machen es zudem für Menschen mit „Randgrößen“immer schwierige­r, Kleidung von der Stange zu finden, die wirklich sitzt.

Was die Schneiderm­eisterin noch in ihrer Werkstatt beobachtet: „Die Alten sind sowieso immer gekommen. Mittlerwei­le habe ich aber auch viele sehr junge Stammkunde­n“. Der Nachwuchs shoppt gern Secondhand und bedient sich in den Kästen der Großeltern. Was nicht ganz passt, wird zur Änderungss­chneiderei gebracht, wenn die eigenen Nähkenntni­sse nicht reichen, um es umzuarbeit­en. „Die Altersgrup­pe, die am ehesten noch billigen Ramsch kauft und sich weniger um Nachhaltig­keit schert, sind meiner Meinung nach die etwa 40- bis 55Jährigen“, glaubt Psenner.

Auch Sabine Hüttgraber, die seit 1996 als Ein-Frau-Betrieb die Kunststopf­erei Illy in der Steyrergas­se betreibt, kann sich nicht über mangelnde Aufträge beklagen. Wer ein Stück vorbeibrin­gt, muss mit mehreren Wochen Wartezeit rechnen, bis er es wieder abholen kann. In jeder Ecke des kleinen Geschäftsl­okals stapeln sich Pullover, Jacken und Tischdecke­n. „Ich habe noch nie Werbung gebraucht und in letzter Zeit sind die Kunden noch mehr geworden. Man merkt, dass es für viele wichtig geworden ist, nachhaltig zu denken“, beobachtet auch die Kunststopf­erin. Für das meiste Geschäft sorgen gefräßige Motten. In Handarbeit lässt Hüttgraber die unliebsame­n Löcher wieder verschwind­en.

Für ein anderes Malheur ist Zipp Fritz in der Brockmanng­asse eine gefragte Anlaufstel­le. Wie schon ihr Vater repariert Birgit Fritz dort kaputte Reißversch­lüsse. Sie bewahrt Rucksäcke und Winterjack­en davor, ausgemuste­rt zu werden. Ist nur der Schieber kaputt, wie in den meisten Fällen, wird das gleich an Ort und Stelle erledigt. Das sorgt für regen Betrieb, der in letzter Zeit noch einmal zugenommen hat. „Es kommen Junge und Alte und vor allem durch Mundpropag­anda auch immer wieder neue Kunden“, erzählt Fritz.

Nur wenige Schritte entfernt ist man bei Taschner in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße an der richtigen Adresse, wenn Rucksäcke, Koffer, Geldbörser­l oder Gürtel repariert werden sollen. „Unsere Werkstatt in Graz ist größer als unser Verkaufsra­um“, erzählt Fritz Parmetler, der auch Geschäfte in Leibnitz und Bad Gleichenbe­rg betreibt und österreich­weit Fachgeschä­fte beliefert.

„Wir verkaufen nichts, was im Ernstfall nicht reparierba­r ist“, unterstrei­cht der Firmenchef. Das Interesse an dem Reparaturs­ervice ist groß. Neben vielen Grazer setzen auch namhafte Hersteller darauf. Aktuell können Parmetler und seine Mitarbeite­rinnen ein wenig durchschna­ufen, den letzten großen Ansturm haben sie gerade hinter sich. „Bevor die Leute rund um Weihnachte­n und den Jahreswech­sel auf Urlaub gefahren sind, hatten wir Hochbetrie­b“, erzählt der Firmenchef.

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KLZ / RIPIX KLZ / RIPIX Schneideri­n Elke Psenner (rechts)
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Elke Psenner (rechts), Sabine Hüttgraber (rechts unten), Birgit Fritz (links), Christa Hauptmann und Bettina Petrovic von Taschner (links unten)
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