Reparieren ist in Graz wieder groß in Mode
Ob Schneiderin oder Kunststopferin: Sie sorgen dafür, dass Kleidung nicht im Müll landet. Ihre Auftragsbücher sind voll wie lange nicht.
Jährlich werden in Österreich 115.000 Tonnen Alttextilien entsorgt, rund 70.000 Tonnen davon wandern in den Restmüll. Kleidung, ein Wegwerfprodukt? Nicht für Grazer, die bei Elke Psenner in der Grazbachgasse oder bei einer anderen Schneiderei in Graz vorbeischauen. Ist etwas zu weit oder entspricht das Kleidungsstück nicht ganz den Vorstellungen der Besitzer, nimmt sie es sich mit ihrer Nähmaschine vor. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute einen zunehmend sorgfältigen Umgang mit ihrem Gewand haben. Die Aufträge haben zugenommen, auch meine Kolleginnen berichten das“, erklärt die Schneidermeisterin.
Psenner fertigt seit 30 Jahren Maßmode und übernimmt Änderungen. Ihre Erklärung dafür, dass die Auftragsbücher voll sind wie lange nicht: „Man könnte sagen, wir sind Coronagewinner.
Viele haben sich in der Zeit mit der Frage beschäftigt, was sie wirklich brauchen. Sie gehen nicht mehr so achtlos mit Ressourcen um.“Einheitsgrößen, die möglichst vielen annähernd passen sollen, machen es zudem für Menschen mit „Randgrößen“immer schwieriger, Kleidung von der Stange zu finden, die wirklich sitzt.
Was die Schneidermeisterin noch in ihrer Werkstatt beobachtet: „Die Alten sind sowieso immer gekommen. Mittlerweile habe ich aber auch viele sehr junge Stammkunden“. Der Nachwuchs shoppt gern Secondhand und bedient sich in den Kästen der Großeltern. Was nicht ganz passt, wird zur Änderungsschneiderei gebracht, wenn die eigenen Nähkenntnisse nicht reichen, um es umzuarbeiten. „Die Altersgruppe, die am ehesten noch billigen Ramsch kauft und sich weniger um Nachhaltigkeit schert, sind meiner Meinung nach die etwa 40- bis 55Jährigen“, glaubt Psenner.
Auch Sabine Hüttgraber, die seit 1996 als Ein-Frau-Betrieb die Kunststopferei Illy in der Steyrergasse betreibt, kann sich nicht über mangelnde Aufträge beklagen. Wer ein Stück vorbeibringt, muss mit mehreren Wochen Wartezeit rechnen, bis er es wieder abholen kann. In jeder Ecke des kleinen Geschäftslokals stapeln sich Pullover, Jacken und Tischdecken. „Ich habe noch nie Werbung gebraucht und in letzter Zeit sind die Kunden noch mehr geworden. Man merkt, dass es für viele wichtig geworden ist, nachhaltig zu denken“, beobachtet auch die Kunststopferin. Für das meiste Geschäft sorgen gefräßige Motten. In Handarbeit lässt Hüttgraber die unliebsamen Löcher wieder verschwinden.
Für ein anderes Malheur ist Zipp Fritz in der Brockmanngasse eine gefragte Anlaufstelle. Wie schon ihr Vater repariert Birgit Fritz dort kaputte Reißverschlüsse. Sie bewahrt Rucksäcke und Winterjacken davor, ausgemustert zu werden. Ist nur der Schieber kaputt, wie in den meisten Fällen, wird das gleich an Ort und Stelle erledigt. Das sorgt für regen Betrieb, der in letzter Zeit noch einmal zugenommen hat. „Es kommen Junge und Alte und vor allem durch Mundpropaganda auch immer wieder neue Kunden“, erzählt Fritz.
Nur wenige Schritte entfernt ist man bei Taschner in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße an der richtigen Adresse, wenn Rucksäcke, Koffer, Geldbörserl oder Gürtel repariert werden sollen. „Unsere Werkstatt in Graz ist größer als unser Verkaufsraum“, erzählt Fritz Parmetler, der auch Geschäfte in Leibnitz und Bad Gleichenberg betreibt und österreichweit Fachgeschäfte beliefert.
„Wir verkaufen nichts, was im Ernstfall nicht reparierbar ist“, unterstreicht der Firmenchef. Das Interesse an dem Reparaturservice ist groß. Neben vielen Grazer setzen auch namhafte Hersteller darauf. Aktuell können Parmetler und seine Mitarbeiterinnen ein wenig durchschnaufen, den letzten großen Ansturm haben sie gerade hinter sich. „Bevor die Leute rund um Weihnachten und den Jahreswechsel auf Urlaub gefahren sind, hatten wir Hochbetrieb“, erzählt der Firmenchef.