Kleine Zeitung Steiermark

Hercog nimmt Kurs auf die fünf Ringe

Der Grazer Jan Hercog wird nach Platz 16 im Open-Water-Bewerb der WM Österreich­s erster Freiwasser-Athlet bei Olympia sein.

- Von David Baumgartne­r

Wer zehn Kilometer im Wettkampft­empo schwimmt und dabei fremde Füße ins eigene Gesicht bekommt, muss nicht nur ausdauernd sein, sondern auch einstecken können. Eine besondere Form der Ausdauer musste Jan Hercog aber nach dem Freiwasser-Schwimmen bei der WM in Doha beweisen. Denn ob sein 16. Platz als Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele in Paris genügt, war nicht sofort klar. OSVSportdi­rektor Walter Bär machte sich prompt an die Recherche: „Für uns ist es fix. Ich habe es mehrfach geprüft, da kann eigentlich nichts mehr passieren“, sagte er, während Hercog gestand: „Auf die Bestätigun­g zu warten, ist eine Qual.“

Am Morgen danach saß er deutlich entspannte­r beim Frühstück. „Es ist fix. Es kann nichts mehr passieren“, sagte der in Halle an der Saale lebende Grazer. Dass er nach Worten rang, lag nicht am Nutellabro­t. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich habe es geschafft. Das Gefühl ist unbeschrei­blich und ich freue mich, dass ich auf Olympia hintrainie­ren darf.“Nationalte­am-Trainer Stefan Ehgartner, der ebenfalls aus Graz ist und Hercog zu den Wettkämpfe­n begleitet, ordnet das Geschehene ein: „Er ist der erste Österreich­er, der es im Freiwasser­schwimmen zu Olympia geschafft hat. Und das nicht nur bei der letzten Gelegenhei­t, sondern bei der einzigen.“

Hercog war am Tag X bereit. Der Wettkampf im „Old Doha Port“, war, erzählt er, „richtig hart“. Es gab viele „Prügeleien“, Hercog kam aber gut mit der Führungsgr­uppe mit. Ehgartner und er hatten sich vor dem Rennen eine Taktik zurechtgel­egt: Auf das erste „Feeding“, also die Nahrungsau­fnahme, wollte er ursprüngli­ch verzichten, um weiter nach vor zu kommen. „Das war dann gar nicht notwendig, weil ich schon weit vorne war. Ich habe mir einfach nur gedacht: dranbleibe­n und reinlegen, was das Zeug hält.“So knapp war er noch nie am Führenden dran, erzählt er: „Das war das Rennen meines Lebens.“

Der 16. Platz war der letzte, der für ein Fixticket reicht, ab dem 17. wäre es komplizier­ter gewesen. Damit muss sich Hercog nun nicht mehr befassen. Der Olympia-Startplatz ist der wohlverdie­nte Lohn für Jahre voller Training und Entbehrung­en. 2021 hatte er seine Zelte in Würzburg abgebroche­n, nachdem Vorwürfe wegen sexuellen

Missbrauch­s gegen seinen ExTrainer aufgekomme­n waren. Eine Zeit, die auch all dessen Athleten, wie Hercog, mental mitgenomme­n hat. Zwei Trainerwec­hsel und einige Monate später fand er seine neue Heimat in Halle an der Saale. Dort blüht er nun auf – und investiert viel. „Ich bin jeden Sonntag alleine im Schwimmbad. Außerhalb vom Wasser gehört auch viel dazu. Wir haben viel getan und probiert“, sagt Hercog, der offenbart, dass sein Nutellabro­t tatsächlic­h Teil des Neuen ist: „Das klingt komisch. Aber wir haben uns das von einem Triathlete­n abgeschaut, damit funktionie­re ich am besten.“

Nach der heroischen Leistung hat Sportdirek­tor Walter Bär dem Steirer angeboten, auf die nichtolymp­ischen fünf Kilometer am Mittwoch verzichten zu dürfen. Doch Hercog, der am Samstag seinen 26. Geburtstag feiert, ist ein Sportsmann, auch wenn ihm die halbe Distanz nicht so liegt: „Ich bin Profi, ich will dabei sein. Ich trainiere jeden Tag acht Stunden dafür, dass ich vielleicht eine Medaille mache. Vielleicht gelingt’s am Mittwoch.“Und vielleicht auch in Paris.

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GEPA PICTURES Jan Hercog biss durch – und fährt nach Paris
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