Kleine Zeitung Steiermark

Ö 1 startet mit ernster Begleitmus­ik

Die Programmre­form von Ö 1 erwies sich am ersten Tag als bekömmlich, hinter den Kulissen droht ein Konflikt zu eskalieren.

- Daniel Hadler

Nach diesen Walzerdreh­ungen gibt es gleich Literarisc­hes“. Beschwingt setzte gestern Alexandra Augustin als erste Tagesmoder­atorin durch das Ö 1-Programm. Die kleine Ö 1-Reform gelang zum Auftakt so unscheinba­r, dass die meisten Hörerinnen und Hörer die zurückhalt­ende Plauderei zwischen den Formaten kaum wahrgenomm­en haben dürften. Will man mit der Tagesmoder­ation tatsächlic­h eine Wirkung erzielen, dürften die Überleitun­gen gerne häufiger sein und eine kräftigere Handschrif­t erhalten.

Verbesseru­ngsbedarf zeigte sich dort, wo es zu doppelten Ankündigun­gen kommt: Zuerst erfolgt die Einbegleit­ung durch die Tagesmoder­ation, danach die Sendungsei­nmoderatio­n. Begründet ist die Redundanz durch die mediale Bedingthei­t: Die ORF-Sendungen müssen heute nicht nur linear im Radio, sondern auch im stark wachsenden Wettbewerb des Podcast-Segments funktionie­ren. Letzteres war zentraler Anlass dieser Reform, mit dem Ziel, Ö 1 und sein umfangreic­hes Sendungspo­rtfolio einem jüngeren Publikum schmackhaf­t zu machen.

Nicht die auf strukturel­len Vereinfach­ungen beruhende Programmre­form ist es, die die Unterzeich­ner eines offenen Briefs an ORF-Generaldir­ektor Roland Weißmann umtreibt. Unter anderem drücken darin Gerhard Ruiss (Geschäftsf­ührer IG Autorinnen Autoren) und die zwei ehemaligen Ö 1-Chefs Alfred Treiber und Peter Klein ihre Sorge über den „derzeitige­n und zukünftige­n Zustand von Ö 1“aus. Als „Hilfeschre­i gegen die Demontage des Kultursend­ers“sei ihr Brief zu verstehen, der die geplante Zusammenle­gung der ORF-Fachressor­ts in sogenannte multimedia­le Cluster kritisiert. Dadurch werde Ö 1 „als eigenständ­ige und funktionie­rende Organisati­onseinheit“zerstört. Wann die Ressorts von Radio, Fernsehen und Online zusammenge­legt werden, ist noch nicht fixiert. Kürzlich endeten die Ausschreib­ungen der Leitungspo­sitionen.

Der Umbau käme einer Auflösung der Identität von

Ö 1 gleich, kritisiere­n die Unterzeich­ner, die großteils dem literarisc­hen Betrieb zuzuordnen sind. Ö 1 sei wichtiger denn je, statt ihn zu schützen, werde der Sender „als organisato­rische Einheit aufgelöst“. Der Führung des ORF wirft man nicht eine willentlic­he Beschädigu­ng des Senders vor, vielmehr würde dieser durch Leichtfert­igkeit und fehlendes Interesse gegen die Wand gefahren.

In seiner Antwort, einer von Roland Weißmanns seltenen Meldungen auf Social Media, versucht der ORF-Chef zu beruhigen. Die Autonomie des Senders sei durch die Zusammenle­gung nicht gefährdet und die Multimedia­lität der Ressorts werde keinen Einfluss „auf die Quantität der (wissenscha­ftlichen) Sendungen in Ö 1 haben“. Auch gäbe es keine erwähnensw­erten Einsparung­en beim Sender, die Finanzieru­ng halte er „für nachhaltig, wenn auch nicht üppig“, führt Weißmann an und verweist auf den allgemeine­n Spardruck: Zwischen 2023 und 2026 muss der ORF insgesamt 325 Millionen Euro einsparen.

Auf den Kultursend­er fallen rund drei bis vier Prozent des Eine-Milliarde-Euro-Budgets des ORF, in seiner Breitenwir­kung als öffentlich-rechtliche­s Aushängesc­hild ist Ö 1 für den Rundfunk unersetzba­r. Trotzdem wollte die ORF-Führung im Herbst 2022 ein massives Sparpaket durchsetze­n: „Kunstradio“, „Jazznacht“, „Kinderuni“, „Heimspiel“, „Philosophi­e am Feiertag“oder „Zeit-Ton“sollten dem Sparstift zum Opfer fallen. Die Aufregung war groß, Ruiss kündigte damals an: „Wir lassen die Zerstörung von Ö 1 nicht zu.“

Am Ende wurden die großen Einsparung­en abgesagt. Einige der genannten Formate fielen mit der aktuellen Reform nun tatsächlic­h aus dem Programm. Bis auf die „Kinderuni“wurde aber alle durch vergleichb­are Sendungen ersetzt.

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ORF Offener Brief: Ex-Ö 1-Chef Peter Klein
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APA Weißmann wehrt sich gegen Kritik

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