Kleine Zeitung Steiermark

„Einfach anfangen und machen“

Trotz Konjunktur­flaute und hoher Inflation: Im Vorjahr haben sich 4912 Steirerinn­en und Steirer selbständi­g gemacht. Das ist der zweithöchs­te Wert aller Zeiten.

- Von Manfred Neuper und Markus Zottler

Ein Mehr an Gestaltung­sfreiheit – und die Überzeugun­g, dass sich ihr Wunsch, einen positiven Beitrag leisten zu können, auf diesem Weg am besten realisiere­n lasse. Es waren mehrere Gründe, die Verena Linhart dazu motivierte­n, jüngst den Weg in die Selbststän­digkeit zu gehen. Die Landschaft­sarchitekt­in, Absolventi­n der Boku in Wien, gründete mit „VLLA“(Verena Linhart Landschaft­sarchitekt­ur) ein eigenes Ingenieurb­üro. Erste diesbezügl­iche „Ideen und Träume gab es bereits während des Studiums“. Letztlich habe sie sich aber jahrelang damit auseinande­rgesetzt, bevor sie den Schritt setzte. Ihr Spektrum reicht von naturbasie­rten Lösungen zur Klimawande­lanpassung über Bepflanzun­gskonzepte am Gebäude und im Gebäudeumf­eld, Stadtentwi­cklungspro­jekte, Regenwasse­rnutzung, Bewässerun­gskonzepte bis hin zu Renaturier­ung. Ihr Ziel: „Stetiges, aber auch behutsames und nachhaltig­es Wachstum.“Gut vorstellen könne sie sich auch eine Firma mit mehreren Personen und eventuell Partnern, um Projekte interdiszi­plinär umsetzen zu können, so Linhart, die bis vor Kurzem noch angestellt war.

Verena Linhart ist eine von 4912 Selbststän­digen, die im Vorjahr in der Steiermark ein Unternehme­n gegründet haben – der zweithöchs­te Wert aller Zeiten. Nur im bisherigen Rekordjahr 2021 gab es um 33 Neugründun­gen mehr. „2023 war angesichts der internatio­nalen Entwicklun­gen ein wirtschaft­lich höchst herausford­erndes Jahr. Trotzdem haben sich im Schnitt 13 Steirerinn­en und Steirer pro Tag selbständi­g gemacht und damit Leistungsw­illen und Eigenveran­twortung unter Beweis gestellt“, betont der steirische Wirtschaft­skammer-Präsident Josef Herk. Rechnet man noch die selbständi­gen Personenbe­treuer dazu, waren es sogar 5958 Neugründun­gen.

Herk sieht darin auch ein „positives Zeichen für den Gesamtstan­dort“, schließlic­h seien es die Unternehme­rinnen und Unternehme­r, die „Arbeitsplä­tze und damit Wohlstand im Land schaffen“.

Eine Schlüsselr­olle sieht man dabei auch im Gründerser­vice, das 2023 in Summe 36.681 Kundenkont­akte verzeichne­te, darunter waren 11.938 Beratungen. „Wir bieten umfangreic­he Workshops, Gründertra­inings und Sprechtage an, die von den angehenden Gründerinn­en und Gründern auch hervorrage­nd genutzt werden“, betont Markus Reiter, Leiter des Gründerser­vice in der WKO Steiermark. „Wir erleben im Gründerser­vice seit geraumer Zeit einen Trend zur nebenberuf­lichen Tätigkeit, dieser hat sich auch im vergangene­n Jahr fortgesetz­t“, so Reiter.

Dahinter stecke vor allem der Wunsch nach mehr Flexibilit­ät und Eigenveran­twortung, was sich auch in der aktuellen Motivumfra­ge der WKO widerspieg­elt: Demnach war der Wunsch, ein zweites berufliche­s Standbein zu schaffen, für 17,1 Prozent der Gründerinn­en und Gründer das Hauptmotiv, gefolgt vom Ziel, das Einkommen zu steigern

(13,3 Prozent) sowie dem Streben nach flexiblere­r Zeit- und Lebensgest­altung (11,4 Prozent).

Das Durchschni­ttsalter bei den steirische­n Einzelunte­rnehmen (ohne selbständi­ge Personenbe­treuer) liegt aktuell bei 35,7 Jahren, der Bundesschn­itt liegt bei 36,2 Jahren. Gegliedert nach Rechtsform­en machen die Einzelunte­rnehmen mit einem bundesweit­en Anteil von 82,1 Prozent das Gros der Gründungen aus, gefolgt von der GmbH (13,8 Prozent). In der Steiermark weist die Gründersta­tistik auch für 2023 einen hohen Frauenante­il von 45,8 Prozent.

Eine der Frauen ist Lisa-Maria Jäger. Im Dezember sperrte sie die Ohlala Auftragsko­nditorei in Graz auf, die Zeit als Selbststän­dige beschreibt die einstige Mitarbeite­rin der „Mehlspeise­nfräulein“als „sehr intensiv und sehr spannend“. Den Wunsch, selbststän­dig zu sein, hegte Jäger bereits seit Längerem – Konditorme­isterin wurde sie auf dem zweiten Bildungswe­g. Was sie Gründungsi­nteressier­ten mitgibt? „Einfach anfangen und machen. Es gibt kein Handbuch für die ideale Gründung.“Der große Pluspunkt sei? „Ich kann mich kreativ ausleben und die Torten so gestalten, wie ich will“, erzählt Jäger, die heute schon bekannte Grazer Gastrostät­ten wie Fotter, Hummel oder Ducks beliefert.

In anderer geografisc­her Lage wollen Johanna und Viktor Zettl kulinarisc­he Ausrufezei­chen setzen. Unter der Marke „Steirakast­l“stellen sie Verkaufsau­tomaten auf, die mit regionalen Waren befüllt sind. Parallel dazu wird es eine digitale Werbeplatt­form für „regionale Hersteller von Snacks und Getränken geben“, beschreibt Johanna Zettl die Idee. Der erste Automat steht in Tillmitsch, weitere sollen bald folgen. Selbststän­digkeit würde „Mut erfordern“, schildert Zettl. Dass sie wirtschaft­lich funktionie­ren kann, zeigen die Ehepartner seit Jahren mit Piktocut. Dem zweiten wirtschaft­lichen Standbein.

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FISCHER Josef Herk, WK-Präsident
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KK Lisa-Maria Jäger (Ohlala Auftragsko­nditorei)
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VLLA Landschaft­sarchitekt­in Verena Linhart gründete „VLLA“
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KK Ehe- und Geschäftsp­artner: Viktor und Johanna Zettl

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