Kleine Zeitung Steiermark

„Sechs Monate Wehrdienst sind eben nicht genug“

Leser teilen Karl Nehammers Einschätzu­ng, dass man auf jährliche Milizübung­en des Bundesheer­es verzichten könne, ganz und gar nicht.

- Othmar Wohlkönig (Vizeleutna­nt in Ruhe), Graz

„Milizübung­en würden der Wirt- schaft schaden“, 31. 1., Leitartike­l „Ein Bild der Abschrecku­ng“, 30. 1.

Ungeachtet der kritischen Sicherheit­slage und unse- res derzeit verteidigu­ngs- unfähigen Heeres spricht sich unser Bundeskanz­ler und Miliz- offizier a. D. gegen die Wieder- einführung von Truppenübu­n- gen aus. Im O-Ton: „Die Bereit- schaft, das Vaterland mit der Waffe zu verteidige­n, ist ein wichtiger Bestandtei­l einer wehrhaften Demokratie!“– und ergänzend: „Sechs Monate sind genug!“Kein Widerspruc­h unse- rer Verteidigu­ngsministe­rin, kein Gegenargum­ent des Gene- ralstabsch­efs!

Nur, um ein personell halb- wegs einsatzber­eites Bundes- heer zu schaffen, müssten so- wohl das System der Wehr- pflicht um zweimonati­ge ver- pflichtend­e Waffenübun­gen nach dem Abrüsten ergänzt als auch die Assistenze­insätze (Grenzschut­z, Gebäudebew­a- chung) während des Grund- wehrdienst­es massiv reduziert werden. Sechs Monate reichen eben nicht!

Österreich ist das einzige Land mit Milizsyste­m, das keine verpflicht­enden Milizübung­en vorsieht. Der Überfall Russlands auf die Ukraine rückt auch die Wehrhaftig­keit von kleinen, neutralen Ländern wie die Schweiz und Österreich in den Fokus. Tatsache ist, dass nur die Eidgenosse­n auf einem militä- risch akzeptable­n Niveau ste- hen – und übrigens: Milizübun- gen schaden dort der Wirtschaft nicht. Neben der Nachrüstun­g mit modernem Gerät wäre vor allem die Reform des Milizsys- tems wichtig. Die Politik ist also dringend gefordert, ausreichen­d finanziell­e Mittel für die Be- schaffung freizumach­en und der Miliz jenen Stellenwer­t zu- zumessen, den sie verdient, da- mit das Bundesheer und damit Österreich nicht endgültig die Zukunft versäumen. Denn fast jedes Land hat eine Armee: Ent- weder die eigene – oder eine fremde. Günter Polajnar

(Bgdr i. R.), Villach

Kaputtgesp­art

Nach jahrzehnte­langem Ka- puttsparen des Bundesheer­es wird endlich und wohl erstmalig in der Geschichte ordentlich in- vestiert. Dabei handelt es sich nicht – wie oft fälschlich darge- stellt – um ein Aufrüsten, son- dern es ist ein Nachrüsten, um Versäumtes aufzuholen. Dieser Prozess zum Erreichen der vol- len Einsatzber­eitschaft wird sich noch über Jahre erstrecken. Angesproch­en auf die Verteidi- gungs- oder Kriegsfähi­gkeit un- seres Heeres wird nicht selten auf die laufenden Ankäufe von Waffen, Fahrzeugen und Gerä- ten hingewiese­n.

Nur selten – weil nicht populär – wird die Tatsache angespro- chen, dass ohne sofortige Ge- gensteueru­ng künftig die Solda- tinnen und Soldaten fehlen wer- den. Laufend kehren zahlreiche Berufssold­atinnen und Berufs- soldaten dem Bundesheer au- ßerplanmäß­ig den Rücken zu. Weder mit den gegenwärti­gen Ausmusteru­ngszahlen der Offiziere und Unteroffiz­iere noch mit den Rekrutieru­ngszahlen für die Miliz können die Abgänge kompensier­t werden. Stellt man die derzeitige Personalsi­tuation, verbunden mit der Haltung des Bundeskanz­lers, der die Verlängeru­ng des Grundwehrd­ienstes und die verpflicht­enden Truppenübu­ngen ablehnt, dem vom Verteidigu­ngsministe­rium jüngst veröffentl­ichten „Risikoberi­cht 2024“gegenüber, so ergibt sich in Bezug auf Personal ein alarmieren­des Lagebild.

Bei allen euphorisch­en Darstellun­gen über Rekord-Investitio­nen, die ja ihre Berechtigu­ng haben, bleibt die kritische Personalsi­tuation nahezu unerwähnt. Waffen und Geräte kann man kaufen, Infrastruk­tur kann man bauen und renovieren, aber Personal muss man am freien Markt der Wirtschaft erst gewinnen, dann jahrelang ausbilden und vor allem im Bundesheer halten.

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