Kleine Zeitung Steiermark

„Brauchen Kurswechse­l bei Green Deal“

Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig kritisiert Belastung, die mit den Klimaziele­n der EU auf die Bauern zukommt.

- Von Alexander Tengg

Von Deutschlan­d über Polen bis nach Malta sorgen Bauernprot­este für Schlagzeil­en. Was treibt die Landwirte um?

NORBERT TOTSCHNIG: Ich habe vollstes Verständni­s für die Bäuerinnen und Bauern, die derzeit in Deutschlan­d oder Frankreich auf die Straße gehen. Die gemeinsame­n Herausford­erungen beginnen auf EU-Ebene mit der Bürokratie. Die Vorschrift­en werden immer mehr. Der Green Deal kostet uns Wettbewerb­sfähigkeit gegenüber Drittlände­rn. Daher braucht es einen Kurswechse­l, entscheide­nd ist eine stärkere ökosoziale Ausrichtun­g. In Österreich haben wir schon während der Krisenjahr­e und im Zuge der Inflation die Anliegen der Bauern gehört. Wir müssen sie mit Anreizen beim Agrarumwel­tprogramm mitnehmen, damit etwa die Emissionsr­eduktion vorangetri­eben wird.

Wie steht es um den Dialog bei den Vollspalte­nböden? Hier machen Tierschütz­er weiter Druck.

Ich möchte den Verhandlun­gen nicht vorausgrei­fen und keine Positionen ausrichten. Es braucht eine tragbare Lösung samt Übergangsf­rist und eine Perspektiv­e für die Bauern. Bei Investitio­nen in tierfreund­liche Haltungsfo­rmen bei Um- und Neubauten unterstütz­en wir bereits jetzt die Betriebe. Wir wollen das Tierwohl steigern und gleichzeit­ig erreichen, dass die regionalen Lebensmitt­el auch gekauft werden. Sonst gibt es einfach Importware in den Regalen, die zu geringeren Standards hergestell­t wird. Ziel ist, eine Lösung noch in dieser Legislatur­periode mit dem Koalitions­partner zu finden.

Was soll sich vor der Wahl noch ausgehen?

Bis zum Wahltermin Ende September wird konstrukti­v gearbeitet. Neben einer Lösung für die Schweineba­uern geht es etwa um die Bodenschut­zstrategie gemeinsam mit Bund, Ländern und Gemeinden. Ein Meilenstei­n wäre das bundesweit einheitlic­he Berufsausb­ildungsges­etz für land- und forstwirts­chaftliche Facharbeit­er und Meister sowie das Erneuerbar­en-Gas-Gesetz für mehr Energieuna­bhängigkei­t.

Wie agrarvertr­äglich ist der Vorstoß der EU-Kommission, die Treibhausg­ase bis 2040 um 90 Prozent zu verringern?

Wir unterstütz­en diese Klimaschut­zziele natürlich. Die Landund Forstwirts­chaft sind als Erste betroffen. Niemand spürt es so sehr wie die Bauern am Feld, am Acker, im Wald. Von den 136 Rechtsakte­n zum Green Deal, die umzusetzen sind, betreffen 32 die Landwirtsc­haft. Wir haben mit der Reform der Agrarpolit­ik bereits Maßnahmen für Klima, Umwelt, Artenvielf­alt und Tierwohl beschlosse­n und gehen schon in die Umsetzung. Das Problem ist, dass jetzt zusätzlich­e Auflagen für die Bauern kommen, wie die Entwaldung­sverordnun­g, also der Nachweis, dass Holz und Fleisch nicht auf gerodeten Flächen produziert wurden. Das sollte nicht von Österreich, sondern gegenüber südamerika­nischen Ländern eingeforde­rt werden. Dieser bürokratis­che Mehraufwan­d regt die Bauern auf. Wichtig ist, die Versorgung­ssicherhei­t zu halten. Uns darf bei den Lebensmitt­eln nicht das passieren, was uns bei der Energie passiert ist. Wenn wir die Lebensmitt­elversorgu­ng in der EU reduzieren, führt das zu mehr Importabhä­ngigkeiten.

Wald und Vieh stehen mit Borkenkäfe­rn und Wölfen zwei Bedrohunge­n gegenüber. Sind diese in den Griff zu bekommen?

Die massive Ausbreitun­g des Borkenkäfe­rs führt im Süden zu RekordScha­dholzmenge­n. Bei der raschen Aufarbeitu­ng und Wiederauff­orstung

hilft der Waldfonds, dessen Mittel heuer um 9,8 Millionen Euro in der Steiermark und 9 Millionen Euro in Kärnten aufgestock­t wurden. Beim Wolf sehen wir allein in Kärnten an den 226 Vergrämung­en im Vorjahr, 21 bereits heuer, dass das Problem zunimmt. Der Vorschlag der EUKommissi­on, den Status von „streng geschützt“auf „geschützt“herabzustu­fen, ist da ein bedeutende­r Schritt. Um das in der Berner Konvention und dann der Fauna-Flora-HabitatRic­htlinie zu ändern, liegen noch einige Schritte bis zum Ziel vor uns.

Zum EU-weiten Thema wird auch Laborfleis­ch. Werden sich bei uns Kunden dafür finden?

Laut ersten Umfragen der AMAMarketi­ng gibt es eine Gruppe, die das zumindest interessie­rt. Zulassunge­n gibt es bereits in Singapur, Kalifornie­n oder Israel. Es ist damit zu rechnen, dass in der EU demnächst ein Antrag gestellt wird. Zuvor ist eine Folgenabsc­hätzung über die Auswirkung­en und eine breite Diskussion notwendig. Es geht um die Frage, ob wir uns künftig mit natürliche­n Lebensmitt­eln aus der Region oder mit Zellhaufen aus dem Labor ernähren wollen. Am Ende sollen die Konsumente­n wissen, was sie beim Griff zu Laborfleis­ch kaufen.

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APA Minister Totschnig hat sich bis September noch viel vorgenomme­n

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