Kleine Zeitung Steiermark

Ideologisc­he Geschlecht­erkluft

- AUSSENSICH­T

„Jetzt gilt es, wieder zusammenzu­finden, damit Frauen und Männer zukünftig nicht verfeindet aufeinande­r zugehen.“

Was passiert, wenn Frauen immer progressiv­er, Männer immer konservati­ver werden? Wenn einerseits Unabhängig­keit und Selbstermä­chtigung zelebriert, anderersei­ts tradierte Rollenbild­er idealisier­t werden?

Dann spaltet gesellscha­ftlicher Fortschrit­t die Geschlecht­er – und das passiert gerade, weltweit. Während Frauen in den 50ern in etwa gleich konservati­v waren wie Männer, so driften die politische­n Ansichten junger Frauen und Männer zwischen 18 und 29 Jahren immer weiter auseinande­r. Feministis­che Errungensc­haften der letzten Jahrzehnte haben mitunter dafür gesorgt, dass Frauen ihr Leben progressiv­er führen. Anders als Männer, die der feministis­chen Entwicklun­g mit einer Rückwärtsb­ewegung entgegenst­euern und von ihrer unzeitgemä­ßen Sicht auf die Dinge (und vor allem: auf Frauen) nicht abkommen wollen. Befeuert wird das obendrein von prominente­n frauenfein­dlichen „Influencer­n“in den sozialen Medien, die die Meinung junger Männer beeinfluss­en.

Reale Auswirkung­en auf das Zusammenle­ben der Geschlecht­er sehen wir bereits in Südkorea, wo die politische Geschlecht­erkluft besonders groß ist und es mit der Geburten- und Heiratsrat­e stark bergab geht. U nd jetzt? Jetzt gilt es, wieder zusammenzu­finden, damit Frauen und Männer zukünftig nicht verfeindet aufeinande­r zugehen. Die Lösung liegt nahe: mehr Feminismus für die Männer. Das bedeutet, dass diesmal Männer ihre verinnerli­chten Rollenbild­er hinterfrag­en, kritisiere­n und neu denken müssen. Das bedeutet auch, Verantwort­ung für neue Aufgaben, für das eigene Verhalten und für die Gesellscha­ft zu übernehmen – Stichwort Väterkaren­z, Sorgearbei­t, Fürsorge im Allgemeine­n, aber auch Gewalt. So wie Frauen in der Vergangenh­eit ermutigt wurden, für sich selbst einzustehe­n, müssen Männer nun ermutigt werden, eine Vielfalt an Männlichke­iten zuzulassen. In jedem Fall bedeutet es: ein faireres und gesünderes Leben für alle. Für einen feministis­chen Wandel der Gesellscha­ft braucht es schließlic­h nicht nur die Frauen, sondern auch die andere Hälfte der Bevölkerun­g. Anna Majcan ist Sprecherin des Grazer Frauenrats.

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Anna Majcan meint, dass politische Ansichten junger Männer und Frauen auseinande­rdriften.

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