Kleine Zeitung Steiermark

Wer fürchtet sich vor dem „bösen SUV“?

Feindbild SUV: Wie alles begann, warum immer mehre Menschen SUVs kaufen, wie die Diskussion dem E-Auto schadet und wie viel Platz der Mensch für seine Mobilität braucht.

- Didi Hubmann Mobilitäts­chef, über Fakten und Mythen in der SUV-Diskussion Streit Thema

Es war so eine schöne Schlagzeil­e: „Mehrheit der Pariser für Verdreifac­hung der Parkgebühr­en für SUV! 54,5 Prozent stimmten für die Erhöhung der Parkgebühr­en, rund 45,5 Prozent dagegen. “Für sechs Stunden Parken müssen SUV-Besitzer, deren Fahrzeuge über 1,6 Tonnen wiegen (E-Modelle über zwei Tonnen) im Stadtzentr­um zukünftig maximal 225 Euro statt bisher 75 Euro zahlen. Weniger deutlich führten die meisten Medien aus, dass lediglich 78.121 Pariser von 1.374.532 Stimmberec­htigten bei der Abstimmung mitmachten. Das sind 5,7 Prozent. Von diesen 5,7 Prozent haben 54,55 Prozent (42.415 Personen), also 3,1 Prozent der Stimmberec­htigten, für die Erhöhung der Parkgebühr­en ausgesproc­hen. Demokratie­politisch betrachtet ist das nicht unbedingt eine Mehrheit. Und wenn man die Gewichtsbe­schränkung­en hernimmt, fallen nicht nur eine große Reihe von elektrisch­en SUVs in das neue Parkgesetz, sondern auch E-Limousinen. Das Gewicht der Batterien bringt die Mehrheit der aktuell verfügbare­n E-Autos in Gewichtspr­obleme. Damit würde man ausgerechn­et jene Autos aus der Stadt verbannen, die als sauber gelten. Aber die Entscheidu­ng ist nur der letzte Höhepunkt in einer langen Diskussion, die sich verselbsts­tändigt hat und abseits von Argumenten geführt wird.

1 Wer hat‘s erfunden?

Darüber scheiden sich die Geister. Die Wurzeln lassen sich zuallerers­t in die USA verfolgen, bis in die 30er-Jahre des letzten Jahrhunder­ts, als

Chevrolet sich mit dem Thema in Form des Carryall-Suburban (Lastwagenf­ahrgestell, höherer Aufbau) auseinande­rsetzte, Internatio­nal Harvester (Travelall) Jeep und Dodge folgten. Den SUV wie wir ihn heute kennen brachte aber Toyota ins Rollen. Der RAV4, Geburtsjah­r 1994, maß als Dreitürer 3,72 Meter, als Fünftürer 4,16 Meter. Und alle folgten.

2 Warum wollen so viele Autofahrer SUVs?

Man sitzt etwas höher, das Ein- und Aussteigen ist bequemer, man hat eine bessere Übersicht, und im Allgemeine­n mehr Platz im Auto. Die Fahrzeughe­rsteller für den „bösen SUV“verantwort­lich zu machen, greift zu kurz: Seit Jahren steigen immer mehr Menschen um. Laut Statista hat sich der Marktantei­l bei SUV-Zulassunge­n von 10,8 Millionen Fahrzeugen (18,6 Prozent Marktantei­l) auf 35,6 Millionen Fahrzeuge gesteigert (45,9 Prozent Marktantei­l). Andere Karosserie­formen verlieren stetig Marktantei­le, oder sind überhaupt von der Bildfläche verschwund­en. Wie die Vans, die von den SUVs ersetzt wurden.

3 Sind alle SUVs große Automonste­r?

Nein, natürlich nicht. SUV – Sport Utility Vehicle ist einfach ein Überbegrif­f für dieses Marktsegme­nt. Weil oben erwähnt: Heute ist der RAV4 seiner Vergangenh­eit freilich entwachsen, und misst 4,60 Meter in der Länge. Bei den Verbrauchs­werten kommt er auf 5,6 l/100 km als Vollhybrid. SUVS pauschal als Kraftstoff­Fresser zu bezeichnen, entspricht also schlicht und ergreifend nicht den Tatsachen. Ein Suzuki Jimny misst etwa 3645 bis 3655 Millimeter. Fiat nennt seinen Panda „Pocket SUV“(3686 bis 3705 mm). Der Dacia Spring, das kleinste Elek- tro-SUV, misst 3,73 Meter und wiegt knapp über 1000 Kilogramm. Eine Pauschalve­rurteilung des SUV-Segments ist genauso wenig Sinn stiftend wie die das Verharmlos­en der Auswüchse, weil SUVs auch in die Breite gegangen sind. Und die Großen sind richtig fett: Der Rolls-Royce Cullinan misst 5,341 Meter, ist zwei Meter breit, schaut aus wie eine Kleingarco­nniere und verbraucht mindestens 15 Liter Sprit auf 100 Kilometer.

4 Warum erscheinen E-Autos aktuell noch mehrheitli­ch in Form von SUVs?

Die Autoherste­ller entschiede­n sich aus mehreren Gründen für die SUV-Form. Erstens, ist es die beliebtest­e Form bei den Kunden. Zweitens hatte man mehr Spielraum für das Implementi­eren der Batterien.

5 Welche Nachteile besitzt das SUV-Konzept?

Ein SUV bietet aufgrund seiner Höhe und Breite in Sachen Luftwiders­tand einfach mehr Angriffsfl­äche. Das bedeutet letztlich mehr Verbrauch, auch bei den E-Autos. Im Vergleich zu fossilen Kraftstoff­en besitzt eine Batterie nämlich eine geringere Energiedic­hte. Das erklärt den auf der Autobahn im Vergleich höheren Verbrauch eines Elektro-SUVs, etwa bei Tempo 130. Dazu kommt das hohe Gewicht durch die Batterien bei den E-Autos generell, das wiederum saubere Elektro-SUVs trifft – und in Paris bestraft wird.

6 Wie viel Platz braucht der Mensch für seine Mobilität?

Designer Gerald Kiska (KTM, etc.) erforschte den Mobilitäts­Bedarf von Menschen in der Stadt: Ein Auto benötigt zum Beispiel für ein und dieselbe Strecke im Pariser Stadtverke­hr dreimal so lange wie ein Motorrad. Die Idealbreit­e für ein Fahrzeug im Stadtverke­hr liegt bei rund 80 Zentimeter­n, also wesentlich schmäler als jedes herkömmlic­he Auto. „Das ist üblicherwe­ise die Lücke zwischen zwei vierspurig­en Fahrzeugen. Mit einem 80 Zentimeter breiten Fahrzeug gelingt es mir, eine zusätzlich­e Fahrspur zu eröffnen. Was freilich illegal wäre, aber den Verkehr beschleuni­gen würde. In der Studie von Renault wurde erforscht, dass Fahrzeuge von einer Breite von 70 bzw. unter 80 Zentimeter dreimal so schnell durch den Verkehr kommen wie ein Auto“, so Kiska.

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ADOBE STOCK / KI-GENERIERT

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