Brudermord aus Habgier
Ein Schmied als Auftraggeber für einen Brudermord – und sein Geselle, der für 800 Schilling zum Mörder wurde: In den 50er-Jahren erschütterte ein Mord Tragöß-Oberort.
Als am 20. Oktober 1951 der 43 Jahre alte Gemeindebedienstete Johann Hafner aus Tragöß-Oberort am Grünen See an einem Baum erhängt aufgefunden wurde, glaubte niemand an einen Selbstmord. Der Fall schien mysteriös, doch der Gerichtsmediziner räumte bei der Autopsie in der Aufbahrungshalle alle Zweifel der Kriminalisten aus. „Es war Selbstmord!“, stellte er fest – und der Akt Johann Hafner wurde von der Gendarmerie-Erhebungsabteilung Graz abgelegt.
Doch die Bevölkerung war überzeugt, dass Johann Hafner eines gewaltsamen Todes gestorben war. Holzknechte nagelten eine Holztafel mit einer Inschrift an jenen Baum, an dem die Leiche gehangen hatte: „Hier wurde Johann Hafner am 20. 10. 1951 erhängt aufgefunden. Als ich an diese Stelle kam, ein Unhold mir das Leben nahm!“
Die Bevölkerung vermutete sogar, wer den Kriegsinvaliden ermordet hat, nämlich sein eigener Bruder Alois. Wegen einer Erbschaft waren die Brüder zerstritten. Für die Ortsbewohner war das ein Mordmotiv.
Am Biertisch in einem Gasthaus spielten sich schaurige Szenen ab. Gäste demonstrierten, wie sich ihrer Meinung nach der Mord abgespielt haben könnte. Die Mordgerüchte verstummten nicht. Diese Hartnäckigkeit der Bevölkerung führte Ende Dezember 1951 zu neuerlichen Ermittlungen. Die Leiche wurde exhumiert und noch einmal obduziert.
Tatsächlich bestätigten sich die Vermutungen der Ortsbewohner: Johann Hafner war zuerst erdrosselt und danach an den Baum gehängt wordern. Doch die Beweise gegen den Schmiedemeister Alois Hafner und seinen Gesellen Karl Zettl (23) reichten für eine Verhaftung nicht aus.
Damit wollten sich die Gendarmen Josef Seekirchner und Karl Hödl vom Posten Tragöß aber nicht abfinden. Als 1952 in Bruck an der Mur eine Expositur der Erhebungsabteilung des Landesgendarmeriekommandos eingerichtet wurde, ergriffen sie die Chance. Sie suchten die Kriminalisten Fritz Plachl und Karl Steiner auf und informierten sie über das ungeklärte Verbrechen am Grünen See.
Nachdem sie aus Graz den Selbstmordakt erhalten hatten, fuhren die Erhebungsbeamten mit dem Post-Autobus nach Tragöß (Dienstauto war nämlich keines vorhanden) und nahmen mit den beiden Postengendarmen ihre Arbeit auf.
Viele Jahre später schilderte Karl Steiner der Kleinen Zeitung ihre Vorgangsweise bei den Ermittlungen. „Wir haben zuerst die Gattin des Schmiedes befragt, dann den Gesellen. Der Verdacht erhärtete sich. Als wir
Alois Hafner zum Verhör abgeholt haben, zog er noch schnell einen Steireranzug an, um – wie er sagte – fesch beieinander zu sein. Er rechnete damit, dass er nicht mehr nach Hause kommen würde.“
Beim Verhör verwickelte sich der Schmiedemeister in Widersprüche – schließlich gestand er den Mordauftrag, den sein Geselle Karl Zettl (23) gegen Bezahlung ausgeführt hatte.
Habgier trieb den geizigen Schmiedemeister, der handgefertigte Steigeisen hergestellt und sie sogar nach Indien exportiert hatte, zum Entschluss, den Bruder umbringen zu lassen. Er schuldete ihm 22.000 Schilling Erbteil. Das gönnte er ihm nicht. Hafners Geselle kam aus der Hartberger Gegend und stammte aus tristen sozialen Verhältnissen. Er war von seiner Familie verstoßen worden und erzählte seinem Meister von Selbstmordabsichten. Jetzt fasste der Schmiedemeister einen teuflischen Plan. Zettl sollte Johann Hafner „mit in den Tod nehmen“. Jeden Tag sprach er ihn auf seine Selbstmordabsichten an und drängte, dass sein Bruder „wegmuss“.
Der Meister schmiedete verschiedene Mordpläne. Der Geselle sollte seinen Bruder zur Grazer Messe begleiten und ihn während der Heimfahrt aus dem Zug werfen. Ein anderes Mal schlug er vor, das Opfer mit einem Schmiedehammer in der Werkstätte zu erschlagen, ihn mit einem Eisen auf den Kopf zu schlagen oder ihn vom Fahrrad zu stoßen. Oder den verhassten Bruder in seinem Zimmer zu erdrosseln und ihn danach aufzuhängen. Am 20. Oktober 1951 drängte Alois Hafner Zettl wieder, die Tat endlich auszuführen. Er versprach ihm Geld und sogar eine Beteiligung an der Schmiede. Als der Geselle am Abend die Werkstatt verließ, steckte ihm sein Chef einen Strick in die Tasche. Damit sollte er den Bruder aufhängen.
Zettl traf Johann Hafner wenig später vor der Schmiede und verwickelte den vertrauensseligen Gemeindebediensteten in ein Gespräch. Schließlich suchten sie Hafners Unterkunft auf, um Radio zu hören. Gegen 22 Uhr lud Zettl Hafner in das Gasthaus Seehof ein. Doch das hatte bereits geschlossen. „Oje, schade, da ist nichts mehr los.“Das waren Hafners letzte Worte. Blitzschnell legte der Täter seinem Opfer den Strick um den Hals und zog zu, bevor er es an den Baum hängte.
Als der Auftraggeber am nächsten Tag vom Tod seines Bruders erfuhr, reagierte er erleichtert und zufrieden, zahlte dem Täter 800 Schilling Belohnung und überließ ihm Radio und Uhr des Toten.
Alois Hafner wurde wegen „Meuchelmordes“zu lebenslangem, Zettl zu 17 Jahren schwerem, verschärftem Kerker verurteilt.