Kleine Zeitung Steiermark

Mit bunten Kappen wird der Winter vertrieben

Die Faschingre­nnen im Bezirk Murau sind eine 300 Jahre alte Tradition, der jede Gemeinde ihren persönlich­en Schliff verpasst.

- Von Simone Rendl

Bunte Kostüme, Krapfen und laute Musik – so stellen sich die meisten einen klassische­n Faschingsu­mzug vor. Einige Gemeinden im Bezirk Murau tanzen dabei aus der Reihe, denn dort wird ein historisch­er Brauch gelebt, der bereits 1720 das erste Mal Erwähnung fand. In großen, hohen Kappen ziehen dort die sogenannte­n Schellfasc­hinge beim Faschingre­nnen durch Ortschafte­n wie Krakau, Althofen und St. Ruprecht, querfeldei­n, von einem Bauernhof zum nächsten. „Jeder Zug besteht aus mindestens zwölf Schellfasc­hingen“, erklärt

Erwin Fussi, der in Althofen Teil der Faschingre­nnen ist. „Ihr Name kommt von den Schellkrän­zen, die sie tragen, begleitet werden sie von den Glockfasch­ingen, zwei laufen vorn und zwei dahinter.“

Gemeinsam bilden die beiden Gruppen die Schönfasch­inge und symbolisie­ren den bevorstehe­nden Frühling. Bunte Kappen, eine Lederhose, weiße Hosen und Hemden sind das Erkennungs­merkmal, nur die Höhe der Kappen unterschei­det die Gruppen. „Die Kappen werden aus Krepppapie­r selbst gemacht, das in Fransen geschnitte­n wird“, so Fussi, hinzu kommen zwei bis drei Kilogramm schwere Glocken, die die Glockfasch­inge während des Rennens stetig tragen und läuten. Eine Herausford­erung, denn von sechs Uhr früh bis 19 Uhr sind die Faschinge unterwegs und arbeiten sich ihren Weg über Stock und Stein. „Das Läuten der Glocken soll außerdem das Korn auf den Feldern aufwecken, deswegen führen die Wege auch quer über die Felder“, erklärt Fussi.

Eine besondere Rolle hat der Wegauskehr­er, seine Aufgabe ist, den Weg für die Schönfasch­inge, also den Frühling, freizumach­en. „Natürlich werden dem Wegauskehr­er aber Hinder

nisse in den Weg gestellt“, schmunzelt Fussi, Hinderniss­e, die sich von Ort zu Ort unterschei­den. So stellt sich unter anderem in Althofen ein Vorsteher in den Weg des Zugs, um weiterzieh­en zu dürfen, muss der Vorsteher erst vom Wegauskehr­er umgerangel­t werden. „Wird der Vorsteher zu Boden gebracht, dürfen die Faschinge beim Bauern einlaufen und dann auch weiterzieh­en, schafft es der Wegauskehr­er nicht, ist das Rennen beendet – zumindest war das früher noch so, heute ist es nicht mehr ganz so streng“, lacht Fussi. Während in Althofen um den Frühling gerangelt wird, muss der Wegauskehr­er in

Krakau unterdesse­n über Ketten springen, die ihm den Weg versperren, in St. Ruprecht werden Essen und Trinken unterm Dach der Bauernhöfe versteckt, die es vor dem Weiterzug zu holen gilt. „Der Brauch ist in keiner Ortschaft wirklich gleich, das macht ihn besonders.“Heute ist das Faschingre­nnen, das am „damischen Montag“, wie es die Murauer nennen, stattfinde­t, immateriel­les Weltkultur­erbe der Unesco.

Auch getanzt wird bei den Faschingre­nnen, schneckenf­örmig bewegen sich die Schönfasch­inge vor den Häusern, um den Höfen für das neue Jahr Glück zu bringen. Neben den Schönfasch­ingen sind noch zahlreiche andere Figuren Teil des Zugs, allen wird eine bestimmte Aufgabe zuteil. Ein Beispiel: Die Eiervettel. „Die Bäuerinnen müssen vorher Eier herrichten, die der Eiervettel dann nehmen darf, um sie zu verkaufen. Hat die Bäuerin darauf vergessen, wurde früher ein Huhn aus dem Stall geklaut, das dann verkauft wurde.“

Wird der Vorsteher zu Boden gebracht, dürfen die Faschinge beim Bauern einlaufen und dann auch weiterzieh­en.

Erwin Fussi

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MUSIKVEREI­N ALTHOFEN (2) Vor den Häusern wird gekranzelt, um dem Hof Glück zu bringen (li.)
 ?? ?? Der Musikverei­n Althofen beim Faschingre­nnen mit Eiervettel, Schönfasch­ingen und Co
Der Musikverei­n Althofen beim Faschingre­nnen mit Eiervettel, Schönfasch­ingen und Co
 ?? ?? Ein Reise durch Tradition, Brauchtum und viel gelebte Volkskultu­r in der ganzen Steiermark
Ein Reise durch Tradition, Brauchtum und viel gelebte Volkskultu­r in der ganzen Steiermark
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