Der geschundenen Natur wieder eine Bühne geben
Der steirische Fotograf Klaus-Dieter Hartl zeigt derzeit zwei seiner Zyklen im Steiermark-Haus in Brüssel.
Dso
as sind die Schatten, die ich
liebe!“, eilt Klaus-Dieter Hartl in der Brüsseler Galerie „Mendes Wood DM“eilig davon und zückt sein iPad. Wer ihm folgt, folgt damit auch automatisch seinem fotografischen Blick – für Schatten, für Stillleben, für Architektur. Und doch ist dieser Blick und die Fotografie, die ihn anschließend einfängt, immer erst der Anfang eines Denkprozesses. Der Künstler, Kunstpädagoge und Kurator der Leibnitzer Galerie Marenzi verarbeitet seine künstlerische Denkarbeit in Zyklen. Zwei davon sind derzeit im Rahmen des Kunstprojektes „Art Steiermark“im Steiermark-Haus in Brüssel zu sehen. „NATUR/nature – Attentat“nimmt unser gestörtes Verhältnis zur Natur ins Visier: Zimmerpflanzen, die, ihrem natürlichen Umfeld entrissen, unsere Wohnräume zieren. Die Fotografien der Pflanzen hat Hartl nachträglich manuell verändert – in beinahe geisterhafte Wesen, die nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst sind. Die Natur? Ausgelöscht! Es bleibt eine Leerstelle, aber im Nachhall eine unmissverständliche Botschaft, die unseren Umgang mit dem uns Selbstverständlichen – der Natur als beständig greifbare, nutzbare und manipulierbare Ressource – ins Gedächtnis ruft.
„Ich suche mir stilllebenartige Situationen aus, und wenn ich dann diese Natur bearbeite, hinauskratze, wegschmirgle, entsteht ein unglaublich schöner Effekt, der uns fast ein bisschen blind macht für die Situationen der Welt da draußen. Mir geht es bei meinen Naturarbeiten immer auch um die globale Situation“, gibt Klaus-Dieter Hartl Einblicke in sein Konzept.
Zyklus „Zuhören – Totentanz“wurde er in Basel vom Maler und Bildhauer Jean Tinguely und seinem „Mengele-Totentanz“(1986) inspiriert. Eine riesige Werkgruppe, die aus Überresten vom Großbrand eines Bauernhofes besteht. Die monströsen Schatten, die die Skulptur auf den Wänden des Ausstellungsraumes hinterlassen haben, faszinierten Hartl. „Diese Schattenbilder hat Klaus-Dieter Hartl zum Thema gemacht, sie fotografiert und gibt ihnen jetzt eine Bühne“, erläuterte Tanja Gurke vom Grazer Kunstverein, die die Ausstellung inhaltlich einbegleitete. Hartl rückt seine Schattentänze nicht nur an das Höhlengleichnis von Platon heran, sondern verknüpft sie mit der heutigen Zeit, in der soziale
Medien zu permanenten Interaktionsräumen geworden sind, in denen Wahrheiten postuliert werden, die keine sind. Wie kann man diesen bedrohlichen Schatten, die viele für bare Münzen nehmen, beikommen? Zuhören! Seinen Mitmenschen, aber auch der Kunst mit ihrem Sensorium für gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Gleiches hat Europa-Landesrat Werner Amon bei der Eröffnung der Ausstellung unterstrichen: „Demokratiebildung, der Umgang mit Diversität und der Umgang in respektvoller Art und Weise mit der anderen Meinung – all das wird durch Kunst befördert.“Susanne Rakowitz Klaus-Dieter Hartl. SteiermarkHaus, Brüssel. Die Schau ist sechs Wochen lang zu sehen. Anmeldung unter steiermark-office@stmk.gv.at.