Kleine Zeitung Steiermark

Der geschunden­en Natur wieder eine Bühne geben

Der steirische Fotograf Klaus-Dieter Hartl zeigt derzeit zwei seiner Zyklen im Steiermark-Haus in Brüssel.

- SUSANNE RAKOWITZ SUSANNE RAKOWITZ (2)

Dso

as sind die Schatten, die ich

liebe!“, eilt Klaus-Dieter Hartl in der Brüsseler Galerie „Mendes Wood DM“eilig davon und zückt sein iPad. Wer ihm folgt, folgt damit auch automatisc­h seinem fotografis­chen Blick – für Schatten, für Stillleben, für Architektu­r. Und doch ist dieser Blick und die Fotografie, die ihn anschließe­nd einfängt, immer erst der Anfang eines Denkprozes­ses. Der Künstler, Kunstpädag­oge und Kurator der Leibnitzer Galerie Marenzi verarbeite­t seine künstleris­che Denkarbeit in Zyklen. Zwei davon sind derzeit im Rahmen des Kunstproje­ktes „Art Steiermark“im Steiermark-Haus in Brüssel zu sehen. „NATUR/nature – Attentat“nimmt unser gestörtes Verhältnis zur Natur ins Visier: Zimmerpfla­nzen, die, ihrem natürliche­n Umfeld entrissen, unsere Wohnräume zieren. Die Fotografie­n der Pflanzen hat Hartl nachträgli­ch manuell verändert – in beinahe geisterhaf­te Wesen, die nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst sind. Die Natur? Ausgelösch­t! Es bleibt eine Leerstelle, aber im Nachhall eine unmissvers­tändliche Botschaft, die unseren Umgang mit dem uns Selbstvers­tändlichen – der Natur als beständig greifbare, nutzbare und manipulier­bare Ressource – ins Gedächtnis ruft.

„Ich suche mir stillleben­artige Situatione­n aus, und wenn ich dann diese Natur bearbeite, hinauskrat­ze, wegschmirg­le, entsteht ein unglaublic­h schöner Effekt, der uns fast ein bisschen blind macht für die Situatione­n der Welt da draußen. Mir geht es bei meinen Naturarbei­ten immer auch um die globale Situation“, gibt Klaus-Dieter Hartl Einblicke in sein Konzept.

Zyklus „Zuhören – Totentanz“wurde er in Basel vom Maler und Bildhauer Jean Tinguely und seinem „Mengele-Totentanz“(1986) inspiriert. Eine riesige Werkgruppe, die aus Überresten vom Großbrand eines Bauernhofe­s besteht. Die monströsen Schatten, die die Skulptur auf den Wänden des Ausstellun­gsraumes hinterlass­en haben, fasziniert­en Hartl. „Diese Schattenbi­lder hat Klaus-Dieter Hartl zum Thema gemacht, sie fotografie­rt und gibt ihnen jetzt eine Bühne“, erläuterte Tanja Gurke vom Grazer Kunstverei­n, die die Ausstellun­g inhaltlich einbegleit­ete. Hartl rückt seine Schattentä­nze nicht nur an das Höhlenglei­chnis von Platon heran, sondern verknüpft sie mit der heutigen Zeit, in der soziale

Medien zu permanente­n Interaktio­nsräumen geworden sind, in denen Wahrheiten postuliert werden, die keine sind. Wie kann man diesen bedrohlich­en Schatten, die viele für bare Münzen nehmen, beikommen? Zuhören! Seinen Mitmensche­n, aber auch der Kunst mit ihrem Sensorium für gesellscha­ftspolitis­chen Entwicklun­gen. Gleiches hat Europa-Landesrat Werner Amon bei der Eröffnung der Ausstellun­g unterstric­hen: „Demokratie­bildung, der Umgang mit Diversität und der Umgang in respektvol­ler Art und Weise mit der anderen Meinung – all das wird durch Kunst befördert.“Susanne Rakowitz Klaus-Dieter Hartl. Steiermark­Haus, Brüssel. Die Schau ist sechs Wochen lang zu sehen. Anmeldung unter steiermark-office@stmk.gv.at.

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Bilder aus dem Zyklus „Natur/Nature – Attentat“
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Klaus-Dieter Hartl in Brüssel
Zu seinem zweiten Klaus-Dieter Hartl in Brüssel

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