Kleine Zeitung Steiermark

Die 15 Stunden des Koloman Wallisch

Vor 90 Jahren wurde Bruck an der Mur zum Schauplatz der schwersten Kämpfe in der Steiermark im Februar 1934. Eine Spurensuch­e.

- Von Christian Weniger

Eine Passantin, auf Nachfrage bestätigt sie, eine „echte“Bruckerin zu sein, kann nur bedingt Auskunft über Koloman Wallisch geben. „Das ist der Hauptplatz.“– „Aber wer Koloman Wallisch war, wissen Sie?“– „Nein, aber da gibt es eine Tafel auf dem Hauptplatz, da steht eh alles drauf.“

Koloman Wallisch war für Bruck an der Mur über Jahrzehnte fast so etwas wie eine Ikone. Aus Ungarn kommend, wo er am blutigen Räteregime des Béla Kun mitwirkte, ließ er sich in Bruck nieder, stieg schnell in der Sozialdemo­kratischen Partei auf, wurde Abgeordnet­er im Landtag, im Nationalra­t, wurde Landespart­eisekretär – am 12. Februar 1934 schlug seine Stunde. Als sich in Linz der Schutzbund gegen eine Hausdurchs­uchung mit Waffengewa­lt wehrte und den Kampf gegen den autoritäre­n Staat aufnahm, eilte Wallisch von Graz nach Bruck, um dort den Aufstand zu leiten. „Nirgendwo kämpfte der Schutzbund so konsequent. Man wollte die Exekutive überwältig­en, die Stadt besetzen und so den Zuzug von Militär nach Wien verhindern. Bald nach 13 Uhr griffen zwei Kommandogr­uppen die Gendarmeri­ekaserne und die Unterkunft des Freiwillig­en Schutzkorp­s an“, erzählt der Historiker Kurt Bauer, Experte für die Zwischenkr­iegszeit und Autor des Buches „Der Februarauf­stand 1934“.

Werner Anzenberge­r, Landesvors­itzender des „Bundes Sozialisti­scher Freiheitsk­ämpfer“, Historiker, Jurist und bis vor Kurzem Finanzstad­trat in Bruck, führt zu den Schauplätz­en des Kampfes am 12. Februar 1934. Die frühere Gendarmeri­ekaserne liegt nur wenige Schritte von Hauptplatz und Kornmesser­haus entfernt, heute ist dort die Polizei untergebra­cht: „Man hat überall Barrikaden errichtet, isolierte die Kaserne. Hier kam es auch zum ersten Todesopfer, es war der Schutzbünd­ler Sepp Linhart, der Bruder des späteren Bürgermeis­ters der Stadt.“

In die entgegenge­setzte Richtung geht es zum nächsten Schauplatz, zur Forstschul­e, damals Stützpunkt des Freiwillig­en Schutzkorp­s, eines Wehrverban­des, geschaffen Mitte 1933 per Gesetz, zur Unterstütz­ung von Gendarmeri­e und Polizei. „Auch hier“, berichtet Anzenberge­r, „sind Schutzbünd­ler erschossen worden.“Sechs Mitglieder des angreifend­en Schutzbund­es verloren hier ihr Leben, konkretisi­ert Bauer. „Es gelang den Aufständis­chen, die Stadt weitgehend in die Hand zu bekommen und bis zum späten Abend zu halten. Schließlic­h gelang es sogar, den Zugverkehr nach Graz zu unterbrech­en.“

Mittlerwei­le war aus Graz das Bundesheer angerückt und begann mit der Rückerober­ung.

Zuerst nahm es den Schlossber­g ein, wo sich Schutzbünd­ler verschanzt hatten. „Das Heer richtete dann auf dem Berg eine Maschineng­ewehrstell­ung ein“, erzählt Anzenberge­r am Hauptplatz mit Blick auf den sich erhebenden Berg. Der Historiker Bauer schildert die folgenden Ereignisse: „Um 4.45 Uhr am Morgen des 13. Februar nahm die Artillerie ihre Tätigkeit auf. Einige Minuten ‚Vernichtun­gsfeuer‘ und der Sturmangri­ff eines Zuges im Schutz der Dunkelheit vertrieb die Schutzbünd­ler aus ihren Stellungen.“Wallisch flüchtete mit Getreuen und wurde schließlic­h im Raum Liezen

festgenomm­en, in Leoben von einem Standgeric­ht zum Tode verurteilt, am 19. Februar hingericht­et.

Nach einer Zwischenst­ation am Leobener Zentralfri­edhof fand Koloman Wallisch seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof St. Ruprecht in Bruck, wo nun ein Grabmal an die gefallenen Schutzbünd­ler des Februar 1934 erinnert. Auf der Hochalpe steht ein Holzkreuz, das an zwei Gendarmeri­ebeamte erinnert, die hier am 14. Februar bei einem Gefecht mit den Flüchtende­n aus Bruck erschossen wurden.

Noch ein Versuch, von Passanten etwas über den mit Tafeln, Gedenkweg und Straßennam­en immer noch Präsenten zu erfahren. Ein älterer Brucker antwortet schnell: „Ja, sicher weiß ich, wer das war. Da unten haben sie vor Jahren einmal einen Film gedreht.“– Ja, aber wer war Koloman Wallisch? – „Da haben’S mich jetzt zu schnell gefragt.“– „In den Köpfen ist Wallisch nicht mehr sehr verankert. Wenngleich das Thema in den Schulen mittlerwei­le stärker bearbeitet wird“, sagt Anzenberge­r. Bei den Februarkäm­pfen 1934 starben in Bruck 20 Menschen.

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 ?? ?? Historiker Werner Anzenberge­r
Historiker Werner Anzenberge­r
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KK, UNIVERSALM­USEUM JOANNEUM, LISA HAINDL (3) Links: Schutzbünd­ler verschanzt­en sich im Februar 1934 vor dem Kornmesser­haus in Bruck
 ?? ?? Letzte Ruhestätte von Koloman Wallisch auf dem Friedhof St. Ruprecht in Bruck an der Mur
Letzte Ruhestätte von Koloman Wallisch auf dem Friedhof St. Ruprecht in Bruck an der Mur
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Oben: Die Forstschul­e diente dem Schutzkorp­s als Stützpunkt. Links: Wallisch bei einer Rede
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