Kleine Zeitung Steiermark

Tuchel hat bei Bayern ein Ablaufdatu­m

Dem FC Bayern droht der zwölfte Meistertit­el in Folge zu entgleiten. Warum Thomas Tuchel um seine Zukunft fürchten muss.

- Von Michael Lorber

Es ist zu oft in den vergangene­n Jahrzehnte­n passiert, als dass man den FC Bayern 13 Runden vor Ende der Deutschen Meistersch­aft abschreibe­n sollte. Vor allem, wenn der Rückstand „nur“fünf Punkte beträgt. Allerdings schrillen aktuell wieder einmal die Alarmglock­en an der Säbener Straße. Im Zentrum der Kritik steht klarerweis­e Trainer Thomas Tuchel. Der 50-Jährige hat es in seiner bald elfmonatig­en Amtszeit noch nicht geschafft, Werbung in eigener Sache zu machen.

Dabei kam Tuchel mit reichlich Vorschussl­orbeeren nach

München. Schon lange galt er als Wunschkand­idat aller deutschen Trainer, von denen die Bayern bis auf Jürgen Klopp schon nahezu alle für sich gewinnen konnten. Für Tuchel spricht vor allem sein Champions-League-Triumph 2021 mit Chelsea, bei dem er im Finale Manchester City mit Trainer Pep Guardiola entzaubert­e. In München ist dieser Zauber verflogen. Unvergessl­iche Glanzparti­en gibt es unter Tuchel nicht mehr zu sehen, was an sich nicht das große Problem wäre, würden die Ergebnisse passen. Das peinliche Cup-Aus bei Drittligis­t Saarbrücke­n (1:2) und die Pleiten in der Bundesliga in Frankfurt (1:5) und Leverkusen (0:3), bei denen die Bayern nicht den Hauch einer Chance hatten, sorgten aber dafür, dass die Bayern erstmals seit fünf Jahren nach 21 Spieltagen wieder auf Platz zwei stehen. Lustige Parallele: Auch 2018/19 gab es, wie aktuell auf Leverkusen, fünf Zähler Rückstand – damals auf Dortmund.

Sieht man vom historisch­en Unvermögen Leverkusen­s ab, den Titel endgültig einzufahre­n, spricht in dieser Saison nicht mehr viel für die Bayern. Klar haben die Bayern mit 50 Zählern heuer sieben Punkte mehr auf dem Konto als im Vorjahr unter Tuchels Vorgänger Julian Nagelsmann.

Da stand allerdings auch noch nicht 100-Millionen-Euro-Neuzugang Harry Kane im Kader, der bislang 24 Treffer beisteuert­e. Im Vorjahr durfte sich Jamal Musiala, nachdem Robert Lewandowsk­i im Sommer 2022 zu Barcelona gewechselt war, zu diesem Zeitpunkt mit zehn Toren als Bayerns Toptorjäge­r

bezeichnen. Trotz der zusätzlich­en Neuzugänge in dieser Saison (u. a. Raphael Guerreiro, Konrad Laimer, Min-jae Kim, Sacha Boey, Eric Dier, Bryan Zaragoza) übt Tuchel regelmäßig öffentlich­e Kritik am eigenen Kader. Er spricht einstigen Leistungst­rägern wie Matthijs de Ligt, Joshua Kimmich oder Leon Goretzka regelmäßig ihre Qualitäten ab – und das öffentlich. Der internen Stimmung förderlich ist das klarerweis­e nicht.

Statements, wonach die Mannschaft im Training viel besser performen würde und im Spiel nicht wiederzuer­kennen sei, gibt es von Tuchel mittlerwei­le in Dauerschle­ife. Man hat den Eindruck,

dass der Mannschaft das Sieger-Gen, diese „Mia-sanmia“-Aura, abhandenge­kommen ist. In Leverkusen vollzog aber der Trainer einen Schritt, der für Kopfschütt­eln sorgte. Er versuchte, die 3-4-2-1-Formation des Tabellenfü­hrers zu spiegeln. An sich keine ungewöhnli­che Herangehen­sweise eines Fußballklu­bs. Allerdings nicht für die Bayern, das Aushängesc­hild in Deutschlan­d. Jener Verein, vor dem sich die anderen fürchten sollten. Vor allem, ohne das vorher in der Praxis ausprobier­t zu haben.

Man mag sich gar nicht vorstellen, was Leverkusen-Trainer Xabi Alonso nach Anblick auf die Startaufst­ellung der Bayern dachte. Vielleicht hat der Spanier seiner Truppe solche oder so ähnliche Worte mitgegeben: „Jungs, die haben Angst vor uns.“Genau das strahlten die Bayern in den 90 Minuten auch aus. Der einstige Krösus ist blass geworden. Auch die fehlende Konkurrenz verhindert­e in den vergangene­n elf Jahren eine Zäsur. In dieser Saison könnte sich das ändern. Die Bayern hofften, mit Tuchel wieder ein Wort um den Champions-League-Triumph mitzureden. Aktuell sieht es sogar nach einer titellosen Saison aus. Ob Tuchel diese noch als Cheftraine­r beenden wird, scheint mehr als fraglich. Seine Kritikresi­stenz hilft sicher nicht.

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IMAGO Bayern-Trainer Thomas Tuchel muss sich Sorgen machen
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