Das Recht, den Chef zu ignorieren
Nicht abheben, nicht zurückschreiben ist in Australien – in der Freizeit – nun ein Recht.
A m Strand, beim Spazieren oder in der Bar: In Australien ist nun gesetzlich festgehalten worden, dass es vollkommen in Ordnung ist, berufliche Nachrichten und Anrufe in der Freizeit zu ignorieren. „Jemand, der nicht rund um die Uhr bezahlt wird, sollte nicht bestraft werden, wenn er nicht rund um die Uhr online und verfügbar ist“, sagte Premierminister Anthony Albanese. Das „Recht auf Nichterreichbarkeit“wurde bereits im Repräsentantenhaus in Canberra verabschiedet. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen mit Geldstrafen belegt werden können, sollten sie ihre Mitarbeiter dafür bestrafen, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit nicht auf Anrufe, Textnachrichten oder Mails reagieren. Zunächst enthielt der Gesetzesentwurf sogar eine Passage, nach der Arbeitgeber strafrechtlich verfolgt werden könnten, wenn sie Mitarbeiter außerhalb der Geschäftszeiten kontaktieren. Dies wurde jedoch als „Fehler“identifiziert und angepasst.
Mit dem Gesetz tritt Australien nun in Frankreichs Fußstapfen, Paris führte das „Recht auf Nichterreichbarkeit“schon 2017 ein. Auch das Europäische Parlament hat ein Gesetz für die gesamte EU vorgeschlagen, um den Druck auf Arbeitnehmer zu verringern.
Die Ausweitung der Verfügbarkeit hat zu erheblichen unbezahlten Überstunden geführt, die „den Arbeitnehmern einen fairen Arbeitstag für einen fairen Tageslohn wegnehmen“, schrieb Chris Wright, ein Experte der University of Sydney. Vor allem seit der Pandemie, als viele Arbeiternehmer im Homeoffice arbeiteten, seien die Grenzen zwischen Arbeitsleben und Privatleben verschwommen. „Die Welt ist vernetzt, aber das hat ein Problem geschaffen“, sagte Tony Burke, Australiens Minister für Beschäftigung und Arbeitsbeziehungen, im Interview mit dem australischen Sender ABC. Zwar sei es völlig in Ordnung, E-Mails zu versenden oder Leute für Schichten zu kontaktieren. „All diese Dinge sind völlig vernünftig und wir wollen dem nicht in die Quere kommen.“Auch wer einen extra Bonus erhalte, um stets erreichbar zu sein, solle dies weiterhin sein.
Gegenwind kam von der Arbeitgeberseite: „Diese Gesetzgebung wird erhebliche Kosten für Unternehmen verursachen und zu weniger Arbeitsplätzen und weniger Chancen führen“, sagte Bran Black, Geschäftsführer des Business Council of Australia. Auch die Opposition begehrte auf: Peter Dutton, Vorsitzender der Liberalkonservativen, meinte, das Gesetz würde den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schaden und die Aufgabe, das Produktivitätswachstum wieder anzukurbeln, schwieriger machen. Auf Sky News sagte er, seine Partei werde das „Recht auf Nichterreichbarkeit“aufheben, wenn sie die nächste Wahl gewinnen sollte.
Barbara Barkhausen, Sydney