„Auf Dauer kann sich der Staat das nicht leisten“
INTERVIEW. Gerhard Fabisch, Chef der Steiermärkischen Sparkasse, über Zinssenkungen, Konjunkturimpulse und Gefahren im Superwahljahr.
Die jüngsten Konjunkturprognosen fallen alles andere als rosig aus. Wie spiegelt sich das in der Kreditnachfrage wider?
GERHARD FABISCH: Wir sehen das insbesondere bei der privaten Wohnbaufinanzierung sehr deutlich, die ist im Vorjahr massiv zurückgegangen: Da sind wir in etwa bei der Hälfte des Volumens von 2022 gelegen. Insgesamt haben die Wachstumsraten im kommerziellen Finanzierungsbereich im Jahr 2023 knapp unter zwei Prozent betragen, was gut ist, im Vergleich zu anderen, aber schlecht, im Vergleich zur Vergangenheit. Es zeigt sich, dass die Verunsicherung auch für Zurückhaltung bei Investitionen sorgt.
Im Spätherbst wurde an den Börsen eine regelrechte Zinssenkungseuphorie entfacht. Wann ist aus Ihrer Sicht mit sinkenden Zinsen zu rechnen?
Im Trend sind sich alle einig, es wird heuer zu Zinssenkungen kommen, von Erhöhungen spricht niemand mehr. Ausmaß und der Zeitpunkt für die erste Senkung sind offen. Meine persönliche Erwartung wäre, dass es zu drei bis vier Senkungen um jeweils einen Viertelprozentpunkt kommt, damit würden wir zum Jahresende bis zu einem Prozentpunkt tiefer liegen als heute.
Und der Zeitpunkt?
Meine Einschätzung wäre die, dass die erste dieser Zinssenkungen eher etwas später erfolgt, als das teilweise prognostiziert wird, also eher im Juni als im April oder Mai. Eine zu frühe Zinssenkung, die womöglich noch einmal eine Korrektur nach oben nötig machen könnte, wollen die Zentralbanken unbedingt vermeiden. Denn damit würden sie die Frage aufwerfen, ob sie die Inflationsentwicklung wirklich richtig einschätzen – und das nach einer Phase, wo man ihnen genau das lange zu Recht vorwerfen konnte. Nämlich die Inflation falsch eingeschätzt und die Zinsen daher zu spät erhöht zu haben. Eine Korrektur der Korrektur – das
hätte auch Folgen für das Vertrauen in die Notenbanken.
Um das es zuletzt nicht immer zum Besten stand . . .
Die Zentralbanken haben in den letzten Jahren tendenziell eher Vertrauen eingebüßt. Mit ihrer standhaften Behauptung, dass die Inflation sehr schnell wieder zurückgeht, sind sie ziemlich falsch gelegen. Mit der sehr scharfen Korrektur danach haben sie viele unangenehme Begleiterscheinungen ausgelöst, wie sich eben auch bei der Immobilienfinanzierung zeigt. Daher will man jetzt, so meine Erwartung, wirklich auf Nummer sicher gehen.
Könnte eine Zinssenkung, zumindest psychologisch, einen Konjunkturimpuls auslösen?
Wenn man die Sondersituation der letzten Jahre nicht als Normalität ansieht, sondern das langfristig betrachtet, dann wäre ein Zinsniveau am Geldmarkt von knapp unter drei Prozent eher ein mittleres bis niedriges Zinsniveau – das ist keine Hochzinsphase. Außergewöhnlich war nur das Tempo der Erhöhungen. Psychologisch werden Zinssenkungen schon etwas bringen. Für viele, auch Private, wäre das schon ein Aufatmen, wenn Kreditraten wieder sinken.
Registrieren Sie bei der Steiermärkischen Sparkasse eine wachsende Zahl an Haushalten, die sich bei variabel verzinsten Wohnkrediten die Raten nicht mehr leisten können?
Die Zinserhöhungen bei variablen Krediten haben die Haushaltsbudgets natürlich belastet, die Raten sind höher. Aber die Zahl der Privatkredite, die nicht ordnungsgemäß bedient werden können, hat sich bei uns nicht erhöht. Das ist nach wie vor ein extrem niedriges Niveau. Wir haben wenige Fälle, wo die Rückzahlungen Probleme machen. Das sind meist persönliche Schicksalsschläge – und da helfen wir auch.
Wo sehen Sie Potenzial für wirtschaftliches Wachstum?
Zinssenkungen könnten den gegenwärtigen Pessimismus zum
Teil etwas kompensieren. Investitionen in mehr Unabhängigkeit, auch von geopolitischen Problemzonen oder von weit verzweigten Lieferketten, könnten am Standort für Impulse sorgen. Auch die grüne Transformation macht gewaltige Investitionen nötig, insbesondere auch im Immobiliensektor, von der thermischen Sanierung bis hin zu Heizungsumstellungen. Auch die Digitalisierung, Stichwort künstliche Intelligenz, verändert Geschäftsmodelle, auch das ist mit Investitionen verbunden. Das sind schon potenzielle Treiber, die die Wirtschaft wieder beleben können.
Wir gehen bei uns im Haus davon aus, dass bei uns die kommerzielle Kreditnachfrage und damit die Investitionstätigkeit im Laufe des zweiten Quartals wieder stärker spürbar werden.
Der Ruf nach staatlichen Konjunkturprogrammen und Eingriffen ist zuletzt wieder lauter geworden.
Österreich hat in der Krise im Vergleich zu anderen Ländern enorm viel Geld in die Hand genommen. Man kann das von zwei Seiten betrachten, das hat auch positive Effekte gebracht, aber die Staatsverschuldung ist ebenfalls hoch geblieben, das zahlen auch die nächsten Generationen. Auf Dauer kann sich der Staat das nicht leisten. Die negativste Wirkung ist die, dass sich vielerorts das Gefühl breit gemacht hat, dass der Staat für jede Krise zahlen soll und dass dadurch die Eigenverantwortung, die ja wesentlicher Bestandteil unserer Marktwirtschaft und Gesellschaft sein sollte, leider zurückgedrängt wurde. Jetzt kommt noch das Superwahljahr, da ist die Gefahr dann besonders groß, dass das noch stärker ausgeprägt ist. Für die Staatsverschuldung wird wesentlich sein, wie wir dieses Jahr überstehen. Österreich steckt in der Rezession, viel Hoffnung ruht darauf, dass dann zumindest im zweiten Halbjahr eine Wende einsetzen könnte, zurecht?