Kleine Zeitung Steiermark

Bezahlkart­en schaden mehr, als sie nützen

- Irmgard Griss meint, das Vorhaben unterstell­e, Fremde wollten „in unser Sozialsyst­em einwandern“.

„Damit wird ein Klima geschaffen, in dem Zuwanderer bestenfall­s als notwendige­s Übel geduldet werden.“

Vor einigen Tagen in der U-Bahn-Station am Hauptbahnh­of in Wien: Eine große Werbeeinsc­haltung der Justiz, Arbeitskrä­fte gesucht. Im ersten Moment war ich baff. Die Justiz war doch immer eine attraktive Arbeitgebe­rin. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur die Justiz sucht Arbeitskrä­fte, der gesamte öffentlich­e Dienst steht vor dem Problem, Abgänge nicht nachbesetz­en zu können.

Fachleute meinen, der Mangel an Arbeitskrä­ften sei die größte Gefahr für unseren Wohlstand. Das leuchtet auch ein. Ohne genügend Arbeitskrä­fte kann die Wirtschaft nicht florieren. Gebraucht werden nicht nur Hochqualif­izierte. Wer kennt nicht die Geschichte­n von Gasthäuser­n, die nicht mehr jeden Tag offenhalte­n können. Oder die überhaupt zusperren, weil sie niemanden finden, der bereit ist, in der Küche oder im Service zu arbeiten. Von zu wenig Pflegepers­onal hören wir jeden Tag. Betten müssen in Krankenhäu­sern gesperrt werden, nicht weil Ärzte fehlen, sondern weil es nicht genug Pflegekräf­te gibt.

Zwar wird der technologi­sche Fortschrit­t in manchen Bereichen Erleichter­ung bringen. Doch wer möchte von einem Roboter gepflegt werden? Gerade im Pflegebere­ich wird versucht, dem Notstand durch Zuwanderun­g abzuhelfen. Doch Österreich ist nicht das einzige Land, das sich um ausländisc­he Arbeitskrä­fte bemüht. Wir stehen im Wettbewerb mit Staaten, in denen Arbeitswil­lige viel weniger Hürden zu überwinden haben.

Da geht es nicht nur um bürokratis­che Hinderniss­e. Wesentlich ist auch die allgemeine Einstellun­g gegenüber Fremden. Sie wird maßgeblich durch die Politik beeinfluss­t. Daher schadet das Vorhaben, Geldleistu­ngen für geflüchtet­e Menschen durch Bezahlkart­en zu ersetzen, mehr als es nützt. Es bedient das Vorurteil, Fremde wollten „in unser Sozialsyst­em einwandern“. Damit wird ein Klima geschaffen, in dem Zuwanderer bestenfall­s als notwendige­s Übel geduldet werden.

Irmgard Griss war Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs und Nationalra­tsabgeordn­ete der Neos.

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