Bezahlkarten schaden mehr, als sie nützen
„Damit wird ein Klima geschaffen, in dem Zuwanderer bestenfalls als notwendiges Übel geduldet werden.“
Vor einigen Tagen in der U-Bahn-Station am Hauptbahnhof in Wien: Eine große Werbeeinschaltung der Justiz, Arbeitskräfte gesucht. Im ersten Moment war ich baff. Die Justiz war doch immer eine attraktive Arbeitgeberin. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur die Justiz sucht Arbeitskräfte, der gesamte öffentliche Dienst steht vor dem Problem, Abgänge nicht nachbesetzen zu können.
Fachleute meinen, der Mangel an Arbeitskräften sei die größte Gefahr für unseren Wohlstand. Das leuchtet auch ein. Ohne genügend Arbeitskräfte kann die Wirtschaft nicht florieren. Gebraucht werden nicht nur Hochqualifizierte. Wer kennt nicht die Geschichten von Gasthäusern, die nicht mehr jeden Tag offenhalten können. Oder die überhaupt zusperren, weil sie niemanden finden, der bereit ist, in der Küche oder im Service zu arbeiten. Von zu wenig Pflegepersonal hören wir jeden Tag. Betten müssen in Krankenhäusern gesperrt werden, nicht weil Ärzte fehlen, sondern weil es nicht genug Pflegekräfte gibt.
Zwar wird der technologische Fortschritt in manchen Bereichen Erleichterung bringen. Doch wer möchte von einem Roboter gepflegt werden? Gerade im Pflegebereich wird versucht, dem Notstand durch Zuwanderung abzuhelfen. Doch Österreich ist nicht das einzige Land, das sich um ausländische Arbeitskräfte bemüht. Wir stehen im Wettbewerb mit Staaten, in denen Arbeitswillige viel weniger Hürden zu überwinden haben.
Da geht es nicht nur um bürokratische Hindernisse. Wesentlich ist auch die allgemeine Einstellung gegenüber Fremden. Sie wird maßgeblich durch die Politik beeinflusst. Daher schadet das Vorhaben, Geldleistungen für geflüchtete Menschen durch Bezahlkarten zu ersetzen, mehr als es nützt. Es bedient das Vorurteil, Fremde wollten „in unser Sozialsystem einwandern“. Damit wird ein Klima geschaffen, in dem Zuwanderer bestenfalls als notwendiges Übel geduldet werden.
Irmgard Griss war Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Nationalratsabgeordnete der Neos.