Gefährliche Lücken im Impfpass
Masern und Keuchhusten erleben ein Comeback. Welche Impfungen man als Erwachsener unbedingt haben und auch auffrischen sollte.
Die Masern zählen zu den ansteckendsten Viren überhaupt. Bei einem Fünftel der Erkrankten können sie schwere Komplikationen auslösen, in ein bis zwei Fällen von 1000 kommt es zu einer lebensbedrohlichen Entzündung des Gehirns, die tödlich verlaufen kann. Mit einer Impfung könnte man die Masern ausrotten. Nämlich dann, wenn eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent erreicht wird. Doch davon ist Österreich weit entfernt. Die
Folge: Die Masern erleben ein Comeback. Bis einschließlich Kalenderwoche sechs gab es laut epidemiologischen Meldesystem (EMS) bereits 75 bestätigte Fälle in diesem Jahr. 2023 waren es insgesamt 186 Masernfälle – damit belegte Österreich laut ECDC hinter Rumänien Rang zwei in Europa.
Für die Steiermark weist das EMS fünf Fälle bis Ende vergangener Woche aus. In dieser Woche sind weitere hinzugekommen. Andrea Grisold, Leiterin des Bereichs Klinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Impfungen (Med Uni Graz), sprach zu Wochenbeginn von acht bestätigten Masernfällen.
Impflücken ermöglichen es Masernviren, sich rasant auszubreiten. Dass diese Lücken sogar größer werden, belegen Zahlen aus einer Anfragebeantwortung durch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Demnach gab es 2019, vor der Coronavirus-Pandemie, noch 338.240 abgerufene Dosen der MasernMumps-Röteln-Impfung, 2020 waren es nur noch 174.907, 2021 gar nur mehr 158.897 Dosen. 2022 waren es 174.281 Dosen, im letzten Jahr wurden bis Juli 108.936 Dosen abgerufen.
Der MMR-Impfstoff sollte in zwei Dosen ab dem 9. Lebensmonat verabreicht werden. Dieser Impfstoff wird erst seit den 1980er Jahren in Österreich eingesetzt. Ältere Menschen haben also entweder nur eine Dosis des Vorgänger-Vakzins oder keine Masernimpfung erhalten. Diese Informationen sollten im Impfpass ersichtlich sein. „Hat man den Impfpass nicht mehr oder ist nur eine oder keine Dosis eingetragen, sollte man zum Ge
sundheitsamt gehen und die fehlenden Impfungen nachholen“, sagt Monika RedlbergerFritz, Mitglied des Nationalen Impfgremiums. Die MMR-Impfung ist bei niedergelassen Ärzten sowie bei öffentlichen Impfstellen kostenfrei.
Da es sich bei der MMR-Impfung um einen Lebendimpfstoff handelt, ist ein „Überimpfen“nicht möglich. „Eine irrtümlicherweise verabreichte dritte Dosis würde keinen Schaden anrichten“, erklärt die Virologin (MedUni Wien). „Sind genug Antikörper da, fangen diese das Impfvirus ab, sollten zu wenige Antikörper da sein, wird das Immunsystem auf einen Wildvirus-Kontakt vorbereitet.“
Auch die Hausärztin, der Hausarzt kann den Impfpass auf Lücken durchsuchen. Bei der jährlichen Gesundenuntersuchung ist die Abklärung des Impfstatus ebenso vorgesehen. Augenmerk sollte auch auf die Vierfachimpfung Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten-Kinderlähmung gelenkt werden. Denn auch die Keuchhustenfälle steigen aufgrund von Impflücken an. Die Steiermark ist besonders betroffen, wie eine Anfrage der Neos bei der steirischen Sanitätsdirektion ergab. Bis 5. Februar wurden schon 264 Keuchhustenfälle gemeldet. Zum Vergleich: Für 2023 rechnet die Ages für ganz Österreich mit rund 2700 Fällen. Um den vollen Schutz zu haben, muss die Vierfachimpfung im Erwachsenenalter alle zehn Jahre aufgefrischt werden, nach dem 60. Lebensjahr alle fünf Jahre.
Wer welche Impfung benötigt, hängt von Faktoren wie Alter oder Beruf ab. „In der aktuellen Situation sind Influenza-, Covidund Masernimpfungen wichtig“, sagt Redlberger-Fritz. Aber auch die FSME-Impfung ist jeder in Österreich lebenden Person empfohlen. „Bei über 60-Jährigen kommt auch die HerpesZoster-Impfung hinzu.“