Kleine Zeitung Steiermark

„Will wieder etwas zurückgebe­n“

Andrea Kurz ist ab heute für vier Jahre Rektorin der Med Uni Graz. Die Forscherin war viele Jahre in den USA tätig.

- Von Norbert Swoboda

Herzliche Gratulatio­n nochmals zu Ihrem Amt als Rektorin der Med Uni Graz, das Sie jetzt antreten. Die meisten Rektoren, die heutzutage gewählt werden, waren schon lange im Uni-Management. Bei Ihnen ist das anders, Sie kommen direkt aus den USA und aus der Forschung. Wie kam das?

ANDREA KURZ: Ich bin seit 2020 in die Forschung an der Med Uni Graz involviert und wurde darauf angesproch­en, mich zu bewerben. Jemand hat gesagt: „Das Profil passt ganz zu dir“. Und ich habe mir gedacht, dass ich noch eine ganz neue Herausford­erung annehmen möchte. Ich will helfen, hier in Österreich etwas beizutrage­n. Wenn man 25 Jahre im Ausland gearbeitet hat, hat man das Bedürfnis, auch etwas zurückzuge­ben.

Sie haben sehr viel geforscht, 250 Publikatio­nen können Sie anführen. Worum ging es da?

Mein Team und ich haben uns mit „Outcome“-Forschung beschäftig­t, also welche Maßnahmen dazu führen, dass Patienten gut eine Operation bewältigen, es weniger Komplikati­onen gibt, dass sie nach dem Eingriff weniger verwirrt sind und sie keine Spätfolgen haben.

Sie sind aber eben seit vier Jahren auch an der Med Uni Graz in einer Forschungs­gruppe tätig. Ich wurde von Professor Philipp Metnitz angesproch­en, dem Leiter der Uni-Klinik für Anästhesie und Intensivme­dizin hier, den ich schon von Wien von der Ausbildung kannte, ob ich mitarbeite­n möchte. Dies tue ich nun mit großer Freude und einem extrem engagierte­n jungen Team.

Was werden in den vier Jahren Ihre Schwerpunk­te sein?

Ein starker Schwerpunk­t für mich ist Personalen­twicklung. Dass man den Leuten auf allen

Ebenen die Freiheit gibt, sich selber zu entwickeln. Ich möchte, dass sich eine stärkere akademisch­e Kultur hier aufbaut. Alle Mitarbeite­r sollen verinnerli­chen, dass wir an einer Universitä­t arbeiten und die Lehre und Forschung unterstütz­en. Wir müssen auch danach streben, internatio­nal und national besser vernetzt zu sein. Das wird auch unser internatio­nales Standing verbessern. Und wir möchten eine sehr lebendige Lehre machen. Wir möchten Studierend­e und Lehrende haben, die kritisch sind. Ein weiterer Punkt ist die Förderung von Frauen in ihrer Karriere.

Was kann man aus den USA mitbringen?

Ich glaube, was wir verbessern könnten, ist Effizienz. Das spielt bei der Patientenv­ersorgung eine große Rolle. Es gibt beispielsw­eise gewisse Prozesse, die man wesentlich verkürzen könnte. Es gibt wenig Gründe, dass Patienten drei Tage vor einem chirurgisc­hen Eingriff im Spital eintreffen müssen. Das ist oft unnötig. Sie könnten am Tag des Eingriffs kommen. Gewisse Patienten können auch am gleichen Tag wieder nach Hause gehen, also vermehrt Tagesklini­ken. Die Exzellenz in der Patientenv­ersorgung dürfen wir dabei aber nie aus dem Blick verlieren.

Verkaufen sich Österreich­er unter ihrem Wert?

Wir haben nicht unbedingt immer das Selbstbewu­sstsein, das wir haben sollten. Wenn wir beispielsw­eise unsere Ideen präsentier­en, dann stellen wir oft unser Licht unter den Scheffel, das ist unsere Mentalität. Das würde einem Amerikaner nie einfallen. Dabei wird hier sehr gute Arbeit geleistet, auf die wir stolz sein dürfen und sollen.

Welche negativen Seiten sollen besser in den USA bleiben? Generell gilt: Die Medizin ist überall teuer, auch hier in Österreich. Aber bei uns trifft das nicht unbedingt den Einzelnen, sondern die öffentlich­e Hand. In den Staaten spielt das Finanziell­e eine riesige Rolle. Ein derartiges System ist in Österreich unvorstell­bar und etwas, was wir in der Form sicher nicht übernehmen wollen.

Ein Rektor einer Med Uni steht ja auch mitten in der Diskussion zur Entwicklun­g des Gesundheit­swesens. Werden Sie hier entscheide­nd mitgestalt­en?

Wir werden uns sehr darum bemühen. Auch für unseren Auftrag von Forschung und Lehre ist als Basis eine gute Versorgung der Patienten enorm wichtig. Wir werden uns da sicher einbringen, in Kooperatio­n mit der KAGes.

Wo soll die Med Uni in vier Jahren stehen?

Mir wäre es wichtig, dass wir jene Forschungs­felder, die wir ja bereits haben, weiter ausbauen. Es ist wichtig, dass die Zahl der Publikatio­nen weiter zunimmt. Dies führt zu mehr Forschungs­projekten, Forschungs­geldern und damit zu einer Stärkung der nationalen und internatio­nalen Sichtbarke­it.

Was halten Sie vom Thema Aufnahmepr­üfung?

Diese Aufnahmete­sts werden internatio­nal diskutiert. Fakt ist, dass es ein Auswahlver­fahren braucht. Unsere Kernaufgab­e ist es, frei denkende, engagierte und empathisch­e Mediziner auszubilde­n.

Wie sehen Sie das Thema Erhöhung der Studienplä­tze?

Ich glaube, Erhöhung allein ist nicht die Antwort. Das ist nicht so einfach. Es würden uns nicht nur die finanziell­en Mittel fehlen, sondern auch die Lehrenden. Und die Anzahl der Patienten, die für die Ausbildung zur Verfügung stehen, setzen ja auch eine

Grenze. Man muss sich auch andere Fragen stellen: Müssen wir die Absolvente­n anders verteilen? Müssen wir einen Weg finden, medizinisc­he Mangelfäch­er attraktive­r zu machen?

Wie sehen Sie das Thema künstliche Intelligen­z? Das Thema wird explodiere­n. Es wird ein wichtiger Faktor für unsere Patienten sein, für Prävention, Diagnosen und individual­isierte Therapien. Es verschiebe­n sich viele Dinge gleichzeit­ig.

Die Gefahr bei diesen Dingen ist immer eine gewisse Verselbstä­ndigung. Da müssen wir einfach aufpassen.

Sie treten mit einem komplett neuen Rektoratst­eam an. Andere setzen auf Kontinuitä­t.

Wir möchten signalisie­ren, dass wir neue Ansätze und Denkweisen verfolgen. Ich glaube, dass wir Kontinuitä­t auf verschiede­nen Ebe- nen auf jeden Fall haben.

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 ?? KLZ / STEFAN PAJMAN ?? Interview, Rektorin Andrea Kurz, Graz am 12. 02. 2024, Fotograf: Stefan Pajman
KLZ / STEFAN PAJMAN Interview, Rektorin Andrea Kurz, Graz am 12. 02. 2024, Fotograf: Stefan Pajman

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