Von den Parallelen in der politischen Sprache
Februarkämpfe jähren sich zum 90. Mal. In Hartberg debattierten Historiker Konrad und Journalist Weniger mit den Schülern.
Anna zückt ihr gelbes Smartphone und googelt das Wort „Fahndungsliste“. Nicht lange scrollt sie den Bildschirm hinab, bis sie auf ein historisches Dokument aus dem Jahr 1941 stoßt. Das Wort spielt darin eine wesentliche Rolle.
Das Bundeskanzleramt hatte das Dokument aus der Zeit des Nationalsozialismus in das Archiv der Parlaments-Webseite gestellt. „So lange ist es noch gar nicht her, dass dieser Ausdruck wieder gefallen ist“, öffnet Historiker Helmut Konrad vor mehr als 100 Schülerinnen und Schülern im Hartberger Gymnasium (Direktor Reinhard Pöllabauer) seine Power-Point-Präsentation. Konrad bezieht sich dabei auf Herbert Kickls Rede beim jüngsten Neujahrstreffen der FPÖ. „Begriffe, die man nie mehr hören wollte, hört man plötzlich wieder“, sagt der ehemalige Rektor der Grazer Karl-Franzens-Universität.
Neunzig Jahre Februarkämpfe in Österreich. Das nehmen er und der Journalist und Geschichtsexperte Christian Weniger zum Anlass, um in steirischen Gymnasien die Ähnlichkeit und Parallelen in Sprachkultur und Wortwahl
früherer österreichischer Volksvertreter und Diktatoren verglichen mit jener der gegenwärtigen Politiker zu analysieren. Premiere ist in Hartberg: „Wir wollen nicht belehren, aber etwas nahebringen, das aktueller scheint denn je. Politische Gruppierungen sind heute angespannt, wie sie es damals waren“, zeigt Christian Weniger ein Schwarzweißfoto vom
Wiener Heldenplatz und Adolf Hitlers Ansprache zum „Anschluss“an Deutschland. Gespannt
fragen Konrad und Weniger – sie beide deklarieren sich vor den Schülern als politisch völlig unterschiedlich gelagert – in die Runde: „Wie viele von Euch interessieren sich noch für Politik?“Stille im Raum. Zögerlich zeigen zwei Schüler auf. „Die Gefahren von damals lauern in der Gegenwart.“Wenn man politisch auch unterschiedlicher Meinung sei, müsse eine Gesprächsbasis erhalten bleiben, warnen die Vortragenden und zeigen – von Engelbert
Dollfuß bis Kurt Schuschnigg – Porträtbilder einstiger diktatorischer Machthaber.
Ein Mann mit einem Mikrofon betritt den Raum. „Jetzt kommt deine Frage“, flüstert eine Julia ihrer Sitznachbarin euphorisch zu und zückt einen A4-Zettel. Dem Vortrag vorangegangen waren zwei Unterrichtsstunden mit Geschichte-Professor Alexander Prucker. Gemeinsam mit den Klassen hat er diese Woche zehn Fragen über die Zeit vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg erarbeitet und nach dem Vortrag in der Diskussionsrunde zum Thema gemacht.
„Was habe ich als junger Mensch von alten Politikern, die die Jugend ohnehin nicht hören“, wirft die Schülerin ihre kritischen Gedanken in den Raum. Nur einen kurzen Blick werfen einander Historiker Helmut Konrad und Journalist Christian Weniger zu und kontern beinahe im Chor: „Deshalb ist es wichtig, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.“
Ihre „1933/34er“-Schultour setzen die beiden nach den Ferien im Grazer BG/BRG Dreihackengasse fort. Auch dort wollen sie, wie sie sagen, „Lehren und nicht Belehren“.
12. FEBRUAR 19 34