Die sieben Finalisten im Härtetest
„Car of the Year“, der prestigeträchtigste Preis der Branche, geht ins Finale: BMW 5er, BYD Seal, Kia EV9, Peugeot 3008, Renault Scenic, Toyota C-HR, Volvo EX30 rittern um den Titel.
Es ist das härteste Auswahlverfahren und der Titel „Car of the Year“, Auto des Jahres, ist der prestigeträchtigste Preis der Branche: 58 Journalisten aus ganz Europa testen und wählen. Der Wahl geht ein Testmarathon voran. Erste Station ist der Tannis-Test in Dänemark. Hier stehen Dutzende Modelle auf dem Prüfstand. Vom standardisierten Ausweichmanöver bis zum Durchleuchten der Sicherheitsassistenten werden die Fahrzeuge auf Herz und Nieren geprüft. Unter anderem auf einem abgesperrten Flugfeld. Für die Notbremsassistenten zum Beispiel gibt es eigene Pappfiguren, auf die man zufährt – und so wird ausgelotet, bis zu welcher Geschwindigkeit die Systeme wirklich funktionieren, und vor allem, wie gut. Hier wird eine objektivierbare Grundlage für die Entscheidung zum „Auto des Jahres“aufgebaut.
Aus diesen Erfahrungen und weiteren Testfahrten werden die sieben Finalisten ermittelt. BMW 5er-Serie, BYD Seal, Kia EV9, Peugeot E-3008/3008, Renault Scenic, Toyota C-HR und Volvo EX30 stehen im Finale und kamen bei weiteren Tests auf dem Testgelände von Mortefontaine zum Einsatz. Hier können die Autos auf ein und derselben Strecke (garniert mit unterschiedlichen Asphaltarten etc.) bis ins letzte Detail untersucht werden. Dann müssen die
Juroren wählen. Ein Überblick nach den letzten Tests:
BMW 5er-Serie: Die Spannweite der technischen Reife, das Fahrgefühl – erstklassig. Technisch hat man die 5er-Serie auf ein extrem hohes Niveau gebracht – Stichwort autonomes Fahren, das dort, wo es erlaubt ist, bis Tempo 100 funktioniert. Sogar ein Spurwechsel über Blickbestätigung ist möglich. Aus Steyr kommt viel technisches Wissen für die 5er-Serie. Man hat Hybride, Verbrenner und die E-Versionen im Programm, auch einen elektrischen Kombi, das passt zum Zeitgeist. Beim E-5er fehlt noch die 800-Volt-Technologie.
Didi Hubmann Mobilitätschef, über die intensive Wahl zum Auto des Jahres
Der Preis der 5er-Serie bleibt freilich ein Manko.
BYD Seal: Erstmals steht ein chinesischer Hersteller im Finale. Sehenswertes Design trifft auf das wohl beste und schnellste Infotainment, die Chinesen sind bei der Software top, die Sprachsteuerung (bei den Tests noch englisch) ist blitzschnell. Auch die Verarbeitung und die Materialien im Innenraum überraschen. Fahrerisch zeigt die Traktionskontrolle beim Stabilitätsprogramm Schwächen, das Heck schwanzelt, wenn man zu beherzt aufs Fahrpedal steigt. Da wird man nachbessern müssen. Und man reizt den batterietechnischen Vorsprung noch nicht voll aus.
Kia EV9: Ein Trumm von einem Auto, mit 5,01 Metern für Europa fast eine Nummer zu groß, man misst 3,1 Meter Radstand. Aber dafür erstaunlich gut zu handeln. Mit 800-Volt-Technologie.
Das Beste am Auto aber: Der EV9 ist das Missing Link in der Elektromobilität. Das Auto ließe sich – wenn es erlaubt wäre – schon als Stromspeicher für Haus und Wohnung nutzen. Man könnte theoretisch Energie aus Photovoltaik im Auto speichern und für das Haus verwenden. Eine rollende Powerbank, sozusagen. In Holland laufen die ersten Tests dazu.
Peugeot E-3008/3008: Es ist die Neuerfindung des 3008, größer, mächtiger. Der Innenraum, einfach sehenswert. Das Panoroma-i-Cockpit schmiegt sich mit einer neuen, schwebenden Mittelkonsole um den Fahrer. Zwei Varianten: Der Hybrid, der ein bissl brustschwach wirkt und leichte Wankneigungen zeigt (aber gutmütig beim Untersteuern bleibt), sowie der voll elektrische 3008er, der auf der Teststrecke wesentlich trittsicherer bleibt und firm wirkt. Renault Scenic: Hat mit BMW (Hans Zimmer!) den besten Elektro-Sound, komponiert von Jean-Michel Jarre. Handlich, kompakt (4,47 m lang), und trotzdem mit enorm viel Platzangebot, ein echter Pluspunkt. Relativ leise im Innenraum. Google hat das Infotainment übernommen, dementsprechend ist es schnell und einfach zu bedienen. Nett: Das SolarbayGlasdach, das sich ohne Rollo abdunkeln kann. Neue Batterien, neues Zelldesign, man hat respektable Fortschritte auch in der Reichweitenverlängerung gemacht. Aber: Der Scenic ist jetzt SUV und hat keine 800Volt-Technik.
Toyota CH-R: Überraschend statt dem Plug-in-Hybrid Prius im Finale. Kommt als Hybrid und Plug-in-Hybrid in verschiedenen Motorvarianten. Der schwächste Vollhybrid (1,8-l-Benziner, 140 PS) müht sich mit dem Getriebe hörbar. Beim 2-l-Vollhybriden wird’s schon besser. Favorit bleibt der Plug-in-Hybrid, der die Technik des Prius nutzt und für gute Verbrauchswerte steht. Sozial verträglicher Cross-over (SUV-Style, 4,36 m lang), straffer abgestimmt als erwartet.
Volvo EX30: Der elektrische Schwede, der aus China kommt – mit einem ganz erstaunlichen Detail. Im Auto gibt es keine klassischen Instrumente mehr, sondern lediglich mittig einen Hochkant-Bildschirm, über den alles gesteuert wird und ablesbar ist. Auch die Geschwindigkeit sieht man nur hier. Was schwierig ist, weil man den Kopf immer leicht nach rechts wenden muss. Erstaunlich ob des Volvo-Credos, dass man die sichersten Autos der Welt bauen möchte. Ein Head-up-Display ist aber aufgrund des neuen Soundsystems nicht möglich. Fahrerisch zeigt er eine starke Seite, vor allem mit dem PerformanceAllrad.
Wie würden Sie sich entscheiden? Am 26. Februar wird im Rahmen des Genfer Automobilsalons der Sieger der Wahl bekannt gegeben. In der Jury vertreten sind Susanne Hofbauer (Autorevue), Horst Bauer (Kurier), Kleine Zeitung (Didi Hubmann).