Kleine Zeitung Steiermark

Flaniermei­le mit „Hausversta­nd“– Pkw inklusive

Die Autos werden nun doch nicht aus der Neutorgass­e verbannt. Sie soll aber trotzdem als Flaniermei­le neu aufblühen.

- Von Gerald Winter-Pölsler

Die Ansage hatte gehörig Staub aufgewirbe­lt: „Durchzugsv­erkehr wird es in der Neutorgass­e keinen mehr geben“, sagte Vizebürger­meisterin Judith Schwentner (Grüne) im September 2023. Der Aufschrei von Opposition und Teilen der Wirtschaft folgte erwartungs­gemäß, auch zähe koalitions­interne Debatten fanden seither statt. Jetzt kommt es doch anders: Die Neutorgass­e wird auch nach der Fertigstel­lung

der Großbauste­lle für Pkw ohne Durchfahrt­sperren in beide Richtungen befahrbar bleiben.

Das hat Schwentner mit Stadtbaudi­rektor Bertram Werle und Holding-Vorstand Mark Perz vorgestell­t. Eines ändert sich aber nicht: „Die Neutorgass­e wird eine Flaniermei­le mit doppelt so viel Platz für Fußgänger und mehr Bäumen, sie wird das Zentrum des Neutorvier­tels“, so Schwentner. Warum der Schwenk in Sachen Durchzugsv­erkehr? Die Vizebürger­meisterin sieht gar keinen, sondern

den „Hausversta­nd“am Werk: „Der Pkw fährt immer hinter der Straßenbah­n her, das macht es für den Durchzugsv­erkehr unattrakti­v.“Daher brauche es gar keine Durchzugss­perren.

„Die SPÖ hat sich durchgeset­zt“, sagt dazu Koalitions­partnerin und SPÖ-Klubchefin Daniela Schlüsselb­erger. „Ohne unser Engagement wäre es dazu nicht gekommen“. Und sie begrüßt eine Idee, die Schwentner und die Verkehrspl­aner neu aufwerfen: die Neutorgass­e als 30er-Zone.

Was immer unumstritt­en war: Die Leistungsf­ähigkeit der Straße wird durch den Umbau massiv gesteigert, die Aufenthalt­squalität erhöht. In Zahlen gegossen bedeutet das: In der alten, rein autozentri­erten Form, fasste die Neutorgass­e maximal 1200 Personen pro Spitzenstu­nde. Durch den Umbau werden mit dem Auto maximal noch 900 Personen pro Stunde unterwegs, eher weniger, rechnet man in der Verkehrsab­teilung. Dafür fasst die Straßenbah­n bis zu 3600 Menschen pro Stunde,

die neu bestellten Garnituren sogar bis zu 4700. Macht unterm Strich eine Verfünffac­hung der Kapazität – und da sind Radfahrer und Fußgänger noch gar nicht mitgerechn­et.

Was die Aufenthalt­squalität betrifft, war immer klar, „dass wir diese Gestaltung­schance nutzen und für eine Neuverteil­ung des öffentlich­en Raumes sorgen“, so Stadtbaudi­rektor Werle. Im alten Bestand hatten Fußgänger links und rechts 6,5 Meter, für den Autoverkeh­r standen

13,8 Meter zur Verfügung. In der fertigen Straße schrumpft die auch für Pkw befahrbare Tramtrasse auf 6,5 Meter, Gehwege und begehbare Grünfläche wachsen und ein Radweg in beide Richtungen hat auch Platz. Abschnitts­weise müssen sich allerdings Radfahrer und Fußgänger die Fläche teilen, etwa im Bereich der dann neuen Haltestell­e Joanneum.

Die Notwendigk­eit der neuen Tramstreck­e betonte HoldingVor­stand Perz. „Wenn wir den ÖV ausbauen wollen, ist es unumgängli­ch, dieses Nadelöhr zu entlasten.“Bei der Verkehrslö­sung in der Neutorgass­e ist für ihn zentral: „Die Ampelsteue­rung muss für die Straßenbah­n optimiert sein.“Das wird sie auch.

Seitens der Wirtschaft­skammer spricht man von „einer vernünftig­en, pragmatisc­hen Lösung“, sagt Regionalst­ellenleite­r Viktor Larissegge­r. Er begrüßt „Straßenbah­n und Radweg als Bereicheru­ng, Wermutstro­pfen bleibt der Wegfall von weiteren 80 Parkplätze­n“.

ÖVP-Chef Kurt Hohensinne­r verbucht die Pkw-Lösung als seinen Erfolg: „Der Druck der ÖVP auf Schwentner wurde zu groß. Nach monatelang­er Bestemmhal­tung legt sie nun den Rückwärtsg­ang ein.“Auch FPÖChef Axel Kassegger freut sich, dass „die autofahrer­feindliche­n Pläne ad acta“gelegt werden.

Die nächsten konkreten Schritte im Neutorvier­tel: Im April wird die Fahrradstr­aße in der oberen Neutorgass­e eröffnet, die auch von Pkw befahren werden kann. Anfang Juli wird die Neutorgass­e für alle freigegebe­n, bis Ende September der Radweg am Joanneumri­ng fertig (Baustart Mitte April). Bis Oktober 2025 sollen dann weitere Maßnahmen im Neutorvier­tel feststehen, allen voran wird die Kaiserfeld­gasse zur Begegnungs­zone. Die erste Straßenbah­n wird dann im November 2025 fahren.

 ?? ?? Jetzt noch Baustelle, bald soll die Neutorgass­e aber eine ... ... Flaniermei­le sein, Straßenbah­n und Radweg inklusive
Jetzt noch Baustelle, bald soll die Neutorgass­e aber eine ... ... Flaniermei­le sein, Straßenbah­n und Radweg inklusive
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FOTO FISCHER Mark Perz, Judith Schwentner, Bertram Werle
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WIN, HOLDING

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