Sie spielen erfolgreich auf Zeit
150.000 Nutzer: Grazer TimeTac gilt bei „komplexer Zeiterfassung“als einer der Marktführer im deutschsprachigen Raum. Jetzt wird expandiert.
Es ist eine Zäsur, für die der Europäische Gerichtshof 2019 sorgt. Am 14. Mai fällt das Höchstgericht eine Grundsatzentscheidung, die als „Stechuhr-Urteil“in die Rechtsgeschichte eingehen wird. Zentrale Erkenntnis: Staaten der Europäischen Union müssen die Arbeitgeber zur Einführung eines Arbeitszeitsystems verpflichten – Arbeitszeiten müssen in Folge lückenlos und systematisch erfasst werden.
Ein Grazer Unternehmen hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst als prädestiniert für die Umsetzung des Spruchs in Stellung gebracht. Schon 2009 entsteht TimeTac aus persönlichem Bedürfnis. Heute zählt man im deutschsprachigen Raum zu den „Marktführern bei komplexer Zeiterfassung“, wie Bernd Pichlbauer, einer der TimeTac-Gründer und aktueller Chef, erzählt. Gäbe es für die simple Zeiterfassung eine Start- und Stopp-Logik, „Hunderte Anbieter“, trenne sich bei der komplizierteren Variante die unternehmerische Spreu vom Weizen.
TimeTac geht es nicht nur darum, Arbeits-, Abwesenheitsoder Projektzeiten einfach zu erfassen. Im Zentrum stehen auch die Bewertung der Zeit – die je nach Branche unterschiedlich sein kann – und deren Verwaltung, bis hin zur Anbindung an Lohnbuchhaltung oder Projektmanagement. Für die Nutzer soll die Oberfläche freilich stets intuitiv gestaltet sein.
„Die Komplexität des österreichischen Arbeitszeitgesetzes hat uns sehr geholfen“, beschreibt Bernd Pichlbauer schmunzelnd die Genese. Irgendwie fühlte man sich dadurch bald auf alle Eventualitäten in Sachen Zeiterfassung vorbereitet. Und trotzdem ist der Beginn kein Selbstläufer, langer Atem ist gefragt. 2011 präsentieren Pichlbauer und Co die erste marktreife Software, „für die
ersten zehn Kunden haben wir ein Jahr gebraucht“, erinnert sich der Gründer. Dann aber beginnt das Werkl zum Laufen und schon im zweiten Jahr kommen „hundert Kunden dazu“.
Heute bedienen die Grazer in Summe 4000 Kunden mit täglich 150.000 Nutzern. Darüber hinaus akquiriert TimeTac „80 bis 100 neue Kunden im Monat“, ergänzt Christoph Lückl, der künftig als CEO TimeTac leiten wird. Zum Organigramm des Unternehmens mit zehn Millionen Euro Umsatz aber später mehr.
Zunächst spricht Lückl noch über eine Stärke von TimeTac: „Wir setzten früh auf den Vertriebsansatz ‚Software as a Service‘. Zu einer Zeit, als das europaweit noch kaum jemand tat“. Was das bedeutet? Nun, TimeTac implementiert die Software nicht nur, sondern spielt Updates ein und übernimmt den technischen Betrieb und die Wartung. Von Graz aus, „remote“. Durch die Cloud-Anbindung ist TimeTac für Nutzer „überall und jederzeit verfügbar“, wie es heißt. „Gestempelt“werden kann via Terminal, Smartphone, Datenuhr oder NFC-Tag.
Eine Vielseitigkeit, die nun Maguar Capital anzog. Die Münchner steigen bei TimeTac als Investor und strategischer Partner ein. „Wir haben eine knappe Mehrheit der Anteile abgegeben“, erzählt Bernd Pichlbauer, der sich ebenso wie Tanja Pichlbauer operativ mit Jahresende aus der Leitung zurückzieht und den Fokus verstärkt auf strategische Agenden legen wird. Michael Hermann, Mitgründer, Miteigentümer und dritter Kopf der aktuellen Führung, verlässt TimeTac Mitte des Jahres. Dafür ergänzt mit Michael Mauthner ein Mitarbeiter erster Stunde als CTO die neue operative Leitung um Christoph Lückl.
Der Fokus ist klar in Richtung Expansion gerichtet. Geografisch will sich TimeTac nach Großbritannien und Spanien ausdehnen. Abbilden soll sich das Wachstum, ein zweistelliges Prozentplus im Umsatz ist angepeilt, auch in Graz. Arbeiten dort zurzeit 70 Beschäftigte aus 17 Nationen, sollen es mit Jahresende 90 sein. Spannend: War die Mitarbeitersuche vor „drei bis vier Jahren noch sehr schwierig“, wie Bernd Pichlbauer erzählt, sei es heute „sehr einfach“. Neben mehr Kommunikation hätte auch die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber gefruchtet. In der Grazer Schmiedgasse ist der Versuch optisch schnell nachvollziehbar. Ins Auge stechen Billardtisch, Dartscheibe, die Dachterrasse mit Schloßberg-Blick und Griller oder eine eigene Boulderwand.