Kleine Zeitung Steiermark

„Die Wehleidigk­eit Moskaus ist erstaunlic­h“

Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg (ÖVP) zum Tod Alexej Nawalnys und möglichen Konsequenz­en innerhalb Österreich­s.

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Wer ist für den Tod von Alexej Nawalny verantwort­lich? ALEXANDER SCHALLENBE­RG:

Ich werde mich nicht an Spekulatio­nen beteiligen. Es ist klar – und das wissen wir alle –, wer dafür verantwort­lich ist, dass ein Giftanschl­ag auf ihn verübt wurde, wer ihn in einen Gulag gesteckt hat. Was notwendig wäre, ist Aufklärung und eine transparen­te Darstellun­g davon, was geschehen ist.

Sie haben eine direkte Schuldzuwe­isung an Moskau vermieden, aber eine vollständi­ge Untersuchu­ng der Todesumstä­nde gefordert. Wie soll diese überhaupt gewährleis­tet werden?

Das ist tatsächlic­h eine berechtigt­e Frage, gerade wenn man die Zustände in Russland bedenkt. Der führende Kopf der russischen Opposition ist zu Tode gekommen. Da sollte es auch im russischen Interesse sein, hier für Klarheit zu sorgen.

Denken Sie an eine internatio­nale Aufklärung oder soll man das den Russen überlassen?

Eine internatio­nale Aufklärung wäre natürlich das Beste. Ich befürchte aber, das ist illusorisc­h. Die russischen Behörden müssen Informatio­nen darüber preisgeben, wie es zu seinem Todesfall gekommen ist. Das wäre das Mindeste.

Können Sie sich die trotzige Reaktion des russischen Botschafte­rs auf das Statement des Bundespräs­identen erklären?

Ich finde es schon etwas erstaunlic­h, wie wehleidig die russische Seite reagiert. Moskau hat sich das selbst zuzuschrei­ben.

Wie weiter umgehen mit dem russischen Staat? Wird es Konsequenz­en, weitere Ausweisung­en geben?

Seit dem 24. Februar vor bald genau zwei Jahren, seit dem völlig unprovozie­rten und brutalen Überfall auf die Ukraine, haben wir zwölf Sanktionsp­akete geschnürt. Das ist das umfassends­te Sanktionsr­egime, das die Europäisch­e Union je gegenüber einem Staat verhängt hat. An unserer Linie ändert sich nichts. Jetzt ist die wesentlich­e Stimme für Freiheit und Pluralismu­s in Russland für immer verstummt. Das ist ein enormer Verlust für seine Familie und das gesamte russische Volk. Das fügt sich leider Gottes ein in das Bild, das man sich spätestens in den letzten zwei Jahren zur Genüge von Russland machen konnte.

Aber der Tod Nawalnys ist für Österreich kein Wendepunkt? Der russische Botschafte­r wird nicht einbestell­t? Es wird keine weiteren Konsequenz­en geben?

Nicht in diesem Zusammenha­ng. Ich habe immer gesagt, dass ich mir als Außenminis­ter das Recht vorbehalte, Personen zu Personae non gratae zu erklären – wenn sie gegen die Wiener Diplomaten­rechtskonv­ention verstoßen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir ja noch nicht alle Details zu diesem Vorfall (Anm. Nawalnys Tod). Der Wendepunkt war der 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine mit Raketen und Panzer überfallen hat.

Es gibt immer wieder Kritik, Österreich sei eine Spionageoa­se für Russland. Ist jetzt der Zeitpunkt, Österreich­s Stellung neu auszuricht­en?

Ich bin als Außenminis­ter leider Gottes schon wiederholt gezwungen gewesen, hier eine klare Linie zu ziehen. Und ich habe wiederholt russische Diplomaten des Landes verwiesen – insgesamt neun. Ganz egal, wer es ist, – wenn jemand die Diplomaten­rechtskonv­ention verletzt, dann ziehen wir entspreche­nde Konsequenz­en.

Die Welt und auch Europa sind im Würgegriff multipler Krisen und Kriege. Sie sind gerade auf der Münchner Sicherheit­skonferenz. Hält die Kriegsalli­anz gegen Putin?

Ja, auf jeden Fall. Wie Sie richtig sagen – wir sehen einen regelrecht­en Feuerring um uns. Das ist den Entscheidu­ngsträgern der freien Welt bewusst, dass die Art, wie wir mit den Krisen umgehen, wesentlich für das Standing der westlichen Welt sein wird. Ich spüre da weiter einen starken Zusammenha­lt.

Julian Melichar

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IMAGO Österreich­s Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg (ÖVP)

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