WAHLJAHR „Mächtige versuchen, die Agrarwende zu blockieren“
INTERVIEW. Sandra Krautwaschl über die „Pseudolösung“für die A 9, unvorteilhafte Umfragen und „unfassbar populistische“Schachzüge auf EU-Ebene.
Soll Graz Paris werden und höhere Parkgebühren für SUV verlangen?
SANDRA KRAUTWASCHL: Die grüne Vizebürgermeisterin Judith Schwentner macht Politik für Menschen in Graz, nicht für Autos. Unsere Umfrage zeigt, eine große Mehrheit will von dieser Stadtregierung, dass sie den Grünraum schützt, die Lebensqualität und Luftgüte verbessert. Schwentner tut genau das.
Und Sie, sind Sie für weniger Stellplätze oder höhere Tarife für große Autos?
Es ist für alle besser, wenn nicht zu viele und schon gar unnötig große Autos in einer Stadt herumkurven. Aber einfache Lösungen gibt es nicht, das hat uns die Vergangenheit gezeigt. Es braucht verschiedenste Maßnahmen: Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs zählt dazu, eine stufenweise Verkehrsberuhigung ebenso. Man muss sich ansehen, wie der Platz, wie die Lasten in den Städten gerechter verteilt werden können.
Die Grünen küren demnächst die Kandidaten für die EU-Wahl. Auf Platz 1 soll Lena Schilling stehen. Soll sie eher die Leser der „Kronen Zeitung“, bei der sie Kolumnistin war, ködern oder Klimaaktivisten?
Lena Schilling ist eine junge Frau, die genau das tut, was man von der Jugend immer fordert: Sich zu 100 Prozent für die Gestaltung ihrer Zukunft einzusetzen. Ich bin der Überzeugung, sie ist fähig, jene abzuholen, die für ein zukunftsfähiges und demokratisches Europa eintreten. Aus allen Bereichen der Gesellschaft.
Die Mühlen der EU mahlen aber noch langsamer als in der Republik. Was sagen Sie zu Schilling, damit sie nicht wie Sarah Wiener nach einer Periode aufgibt?
Ich meine, sie hat für dieses junge Alter einen extrem reifen Zugang. Auch eine Aktivistin ist kompatibel mit langfristigem, professionellem politischen Engagement auf höchster Ebene.
Bleibt es bei Thomas Waitz als steirischem Spitzenkandidaten? Ja, er wird auf Platz 2 kandidieren und hat unsere volle Unterstützung. Waitz hat auf europäischer Bühne sein Potenzial absolut entfaltet, ob Tierschutz oder Landwirtschaft. Wenn die ÖVP auch gerade versucht, die Wende mit unfassbar populistischen, durchschaubaren Strategien aufzuhalten.
Führen Sie das aus?
Die ÖVP versucht doch, den Naturschutz zum Problem der Landwirte zu machen. Dabei ist es ihre eigene Landwirtschaftspolitik, die über Jahre die Agrarindustrie bevorzugt hat. Waitz wird das den Menschen vor Augen führen, damit sie sich nicht von, ja, von solchen Lügen, verführen lassen.
Sie sprechen das Renaturierungsgesetz an. Das lehnt auch die steirische Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer, die bis Herbst im EU-Parlament aktiv war, ab.
Ja. Ich erkenne da keinerlei innovativen Zugang bei Schmiedtbauer, wenn die Agrarindustrie weiterhin gefördert wird und nicht die Qualität. Es wird von den Mächtigen sehr stark versucht, die notwendige Wende in der Landwirtschaft zu blockieren. Das sind die Mechanismen derzeit.
Das klingt mächtig nach Verschwörungstheorie. Nein, das ist echt.
Dennoch zum strittigen Ausbau der A 9. Leonore Gewessler war zuletzt im Land, ein klares Veto der Infrastrukturministerin hörte man aber nicht. Ist das Taktik oder Furcht?
Ich meine, ihre Position ist recht deutlich … Wir hatten unseren Runden Tisch zur A 9 mit vielen Fachleuten. Eine Enquete dazu im Landtag haben die anderen Parteien ja abgelehnt: Offensichtlich haben sie Angst, sich die Sache breiter anzuschauen. Die Expertinnen und Experten bestätigten uns, dass die Anrainergemeinden durch eine dritte Spur nicht dauerhaft entlastet werden. Also genau das, was die Landesregierung als ihr Hauptargument anführt, kann auf Dauer nicht funktionieren. Wir haben schon diverse Vorschläge gemacht und werden wieder welche zur Entlastung einbringen.
Auch die unbequemen?
Ja, wenn man Überholverbote für Lkw, Geschwindigkeitsbeschränkungen für die Stauzeiten und eine flächendeckende Lkw-Maut als unbequem erachtet. Unbequem, wenn man nachfragt, wieso nicht mehr bei Parkand-Ride-Ausbauplänen und den regionalen Stationen weitergeht. Mit dieser Pseudolösung, die diese Landesregierung propagiert, werden die Probleme sicher nicht gelöst. Ebenso wenig durch noch mehr Bodenversiegelung und durch Zerstörung der landwirtschaftlichen Flächen im Süden.
Sicher ein Thema der Landtagswahl. In den beiden zuletzt veröffentlichten Umfragen waren die Grünen nur mehr einstellig. Wie wollen Sie das ändern?
Ich befasse mich nicht mit diesen Umfragen, sondern damit, die Menschen zu überzeugen, dass wir eine echte Alternative sind zu diesem inszenierten Landeshauptmann-Schaulaufen der drei Altparteien. Die Leute haben doch langsam die Schnauze voll von dieser PR. Ich befasse mich damit, unsere bodenständigen, vernünftigen, lösungsorientierten Ansätze zu verbreiten. Ob in der Pflege, Gesundheit, beim Bodenschutz oder bei der Kinderbetreuung, wo wir im Österreichvergleich nach wie vor hinten liegen, während andere Bundesländer längst den Gratiskindergarten eingeführt haben.
Sie warnen gar nicht vor einem blauen Landeshauptmann?
Ich habe kein Interesse am Warnen, sondern an konstruktiven Lösungen. Nur das Wort „Steirer“vorne hinzusetzen, wie der Landeshauptmann bei den „SteirerAmbulanzen“, löst doch keine Probleme der Gesundheitsversorgung. Das kann man nicht mehr ernst nehmen.
Die Grünen könnten aber nach der Wahl im Herbst das Zünglein an der Waage sein …
Wir haben einen Gestaltungsanspruch, dafür stehe ich. Und den leben wir in der Steiermark schon aus der Opposition heraus. Wir werden die nächsten Monate rennen, um mit den Menschen im Austausch zu sein und sie zu überzeugen.
Die Wahlkampfkosten-Obergrenze bei der Landtagswahl liegt bei einer Million Euro – werden Sie das einsetzen wollen? Circa. Darunter werden wir jedenfalls liegen.
Sie treten mit einem vertrauten Team an – von Anna Binder, die aus der Grünen Jugend kommt, abgesehen. Was kann die denn besser als andere Grüne? Ich bin sehr froh über ein richtig gutes Team, mit dem ich arbeite und dem richte ich sicher nichts über die Medien aus.