Kleine Zeitung Steiermark

Boulevardp­ranger statt Hass im Netz

„Katharina Blum“, streng nach Bölls Vorlage, als Muster einer Hetzjagd.

- TRAUSSNIG.NET

Die Lächerlich­keit steht am Anfang. Alles nur ein Witz, sagen die dicken Sonnenbril­len und rot-weiß-karierten Schleier, mit denen sich die Beamten auch noch schmücken, als sie zur Mordermitt­lung ausrücken müssen. In der Ölkrise der 70er ist der Karneval eine Mottoparty, wer nicht dabei ist, gehört nicht dazu.

Wie Katharina Blum, die von Heinrich Böll entworfene Figur eines bis in die Fingerspit­zen korrekten Fräuleins, das dem Irrtum aufsitzt, mit Tadellosig­keit den gesellscha­ftlichen Aufstieg schaffen zu können. Eine mit Ambitionen und Zielen; eine, die ihrem Schicksal entkommen will. In Heinrich Bölls 50 Jahre junger Erzählung gerät sie in die Mühlen des Machtappar­ats einer Männerwelt, wird vom Subjekt zum Objekt degradiert: Als sie ihr Herz an einen Ganoven verliert, ist sie der gnadenlose­n Sensations­gier eines Boulevardb­latts ausgeliefe­rt, dessen Formel bis heute fortwirkt: Häme, (Frauen-)Hass und Koketterie.

In Peter Faßhubers geradlinig­er, streng nach der Vorlage gebauter, gediegener Inszenieru­ng erweist sich „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“als zeitloses Muster dieser Hetzjagd. Herausrage­nd dabei Julia Faßhuber, die mit reduzierte­m Spiel die zunehmende Ausweglosi­gkeit Blums auf den Punkt bringt, ohne sie auf die Opferrolle zu verengen. Christian Krall gibt den schmierige­n Journalist­en und wechselt wie Sigrid Sattler, Ute Veronika Olschnegge­r und Werner Halbedl zwischen den weiteren Figuren.

Die Aktualität des Stoffs über einen, wie es heute heißen würde, Shitstorm gegen eine junge Frau ist beträchtli­ch. Was damals – von Böll leicht dechiffrie­rbar als „Die Zeitung“bezeichnet – der beißende „Bild“-Boulevard war, ist heute (auch) der rabiate Diskurs in den von Hass getriebene­n Schmuddele­cken der SocialMedi­a-Plattforme­n.

Daniel Hadler „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Theater Oberzeirin­g. Termine: 20., 25., 28. Februar, 3., 6., 13. März, 17 bzw. 20 Uhr. Karten: Tel. (03571) 20043. www.theo.at

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Überzeugt als Katharina Blum: Julia Faßhuber

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