Tag der Entscheidung im Auslieferungskrimi
Letzter Akt in Justizdrama um Julian Assange: Ein Londoner Gericht befindet über die Auslieferung des Whistleblowers an die USA.
Für Julian Assange (52) ist diese Woche der entscheidende Augenblick gekommen. Zwei Richter am Londoner High Court entscheiden, ob der WikiLeaks-Mitbegründer an die USA ausgeliefert wird – oder ob er gegen die von der britischen Regierung verfügte Auslieferung noch Berufung einlegen kann. Sollte das Gesuch abgelehnt werden, drohen Assange die unmittelbare Auslieferung und bis zu 175 Jahre Gefängnis. In den USA wird der Publizist geheimer und vertraulicher Dokumente als „Spion“oder gar als „Terrorist“eingestuft.
Eine Überstellung in ein USGefängnis würde ihr Mann nicht überleben, befürchtet Assanges Frau Stella, ihrerseits Anwältin in London. „Mit seiner Gesundheit geht es rapide abwärts, physisch wie psychisch. Mit jedem weiteren Tag, den er hinter Gittern verbringt, ist sein Leben in größerer Gefahr. Wenn er ausgeliefert wird, stirbt er“, sagt sie düster voraus.
Tatsächlich hatte schon vor drei Jahren eine Londoner Richterin die Auslieferung Assanges an die USA unter Hinweis auf „die depressive Verfassung“des Häftlings verweigert. Allerdings befand sie gleichzeitig, dass Assange in Haft bleiben müsse, bis sich höhere Instanzen mit dem Fall beschäftigt hätten. Nun, drei Jahre später, ist Assange am Ende dieses Wegs angekommen.
Begonnen hatte alles in den Jahren 2010 und 2011, als Assange auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks Dokumente ins Netz stellte, die der Plattform von dem US-Militär-Analysten und Armee-Angehörigen Bradley Manning (heute Chelsea Manning) zugespielt worden waren. Mithilfe dieser Veröffentlichungen beförderte WikiLeaks unter anderem Kriegsverbrechen ans Tageslicht, die Washington verzweifelt geheim zu halten gesucht hatte.
Zunächst ging man deswegen in den USA nur gegen Manning vor. Ein Europäischer Haftbefehl, der zu jener Zeit gegen Assange erlassen wurde, hatte mit etwas ganz anderem zu tun. Schweden warf Julian Assange sexuelle Vergehen an zwei Schwedinnen und eine Vergewaltigung vor. Um sich dem Haftbefehl zu entziehen, suchte Assange 2012 in der Londoner Botschaft Ecuadors Zuflucht, die ihm Asyl in dem Botschaftsgebäude gewährte. Seine gelegentlichen Auftritte auf dem Balkon der Botschaft lieferten endlosen Gesprächsstoff im Vereinigten Königreich. Assange selbst bestand in dieser Zeit darauf, er habe sich dem Haftbefehl nur entzogen, weil die USA insgeheim seine Auslieferung planten und ihm dort womöglich die Todesstrafe drohe.
Die Lage änderte sich dramatisch, als Ecuadors Regierung Assange das Aufenthaltsrecht
im März 2019 entzog. Kaum war Assange ins Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verfrachtet worden, verlangte die US-Justiz auch schon seine Auslieferung. Dagegen zog Schweden sein eigenes Auslieferungsbegehren im November desselben Jahres zurück, da die betreffenden Fälle dort just verjährt waren.
Mittlerweile wurde Assange dafür, dass er sich dem Europäischen Haftbefehl entzogen hatte, zu 50 Wochen Gefängnis verurteilt. Weil inzwischen aber der US-Haftbefehl in London vorlag, kam er nach Absitzen dieser Strafe nicht frei. In Washington wiederum mochte weder Donald Trump noch Joe Biden einen Verzicht auf Strafverfolgung auch nur in Erwägung ziehen.
Ihr Mandant habe bei der Aufdeckung schwerer Verbrechen „im öffentlichen Interesse“gehandelt, sagen seine Fürsprecher. Eine Auslieferung würde „einen Präzedenzfall schaffen für eine Kriminalisierung von Aktivitäten, die für alle Aufklärungsarbeit von Journalisten von entscheidender Bedeutung sind“.