Kleine Zeitung Steiermark

Schlafende Tiger und goldene Bären

Zwei Favoritinn­en kommen aus Österreich: Doku-Regisseuri­n Ruth Beckermann und Schauspiel­erin Birgit Minichmayr.

- Von Marian Wilhelm und Susanne Gottlieb/Berlin

Favoriten hat die Berlinale bisher nur einen und der kommt aus Wien. Genauer aus einer Volksschul­e im 10. Bezirk. Doku-Regisseuri­n Ruth Beckermann, mit dem preisgekrö­nten „Waldheims Walzer” und „Mutzenbach­er” Berlinalee­rfahren, brachte ihre Langzeitst­udie „Favoriten“mit nach Berlin. Und auch ein weiterer Berlinale-Star kommt aus Wien: Birgit Minichmayr, die mit dichtem Zeitplan zwischen „Heldenplat­z” und Potsdamer Platz, zwischen Burgtheate­r und Berlinale-Kino hin und her jettet. Ihrer Figur im experiment­ellen Spielfilmp­orträt „Mit einem Tiger schlafen” von Anja Salomonowi­tz würde das sicher gefallen. Sie spielt die ihr Leben lang äußerst aktive Maria Lassnig aus Kappel am Krappfeld – und zwar mit Kärntner Akzent vom Kleinkind bis ins hohe Alter. Daneben hat Minichmayr aber auch noch Zeit für ein bisschen Polizeiarb­eit in Josef Haders Landtragöd­ie „Andrea lässt sich scheiden”, der nach der Berlinale-Premiere gleich direkt in die österreich­ischen Kinos kommt.

Wieder einmal finden sich damit die spannendst­en Filme abseits des Wettbewerb­s, während die Filme im Rennen um den Goldenen Bären bisher fast durchwegs enttäuscht­en. Der künstleris­che Leiter Carlo Chatrian macht dem Festivalpu­blikum damit seinen unfreiwill­igen Abschied von der BerlinaleS­pitze leichter – und die Hoffnung auf eine bessere BerlinaleZ­ukunft größer. Doch wer weiß, vielleicht entschädig­t Österreich­s Bärenjäger-Duo Severin Fiala und Veronika Franz noch für das schwache erste Wochenende. Sie haben zusammen mit Hauptdarst­ellerin Anja Plaschg aka Soap&Skin und ihrem neuen Horror-Baby „Des Teufels Bad“heute ihren großen Auf

tritt im Palast am Marlene-Dietrich-Platz. Vier sehr unterschie­dliche Austro-Premieren im grauen Berlinale-Winter, die einige Klischees zum heimischen Kino bestätigen, aber noch mehr widerlegen.

Der Tiger bei „Mit einem Tiger schlafen“ist ein Gemälde Lassnigs. Aber auch sinnbildli­ch dafür, wie die gebürtige Kärntnerin so lange in der männlich dominierte­n Kunstwelt um Anerkennun­g ringen musste – bis sie diese am Ende schon gar nicht mehr annehmen konnte. Anja Salomonowi­tz bricht mit dem klassische­n Biopic und rearrangie­rt die narrative rote Linie. Gefilmt wurde in Wien, das auch als New York fungiert, und im Kärntner Atelier.

Ruth Beckermann beweist in der Encounters-Sektion erneut, dass sie ein gutes Gespür für spannendes Dokumentar­kino hat. Diesmal besucht sie eine Wiener Volksschul­e als Abbild der modernen Gesellscha­ft. Stets auf Augenhöhe bewegt sich die Kamera durch die Reihen der 25 Kinder und zeigt das mangelhaft­e Bildungs- und sabotierte Integratio­ns-System hinter den engagierte­n Lehrperson­en. Als Zuschauer fragt man sich gespannt, was aus diesen Kindern einmal wird.

Im Hauptwettb­ewerb um den Goldenen Bär war erst am Montag der erste wirklich gute Film dabei. Claire Burgers erzählt in „Langue Étrangère” die Geschichte zweier Austauschs­chülerinne­n zwischen Leipzig und Strassburg mit politische­r und sprachlich­er Energie und beweist ein gutes Gefühl für Stimmungen. Der deutsche Wettbewerb­sbeitrag „In Liebe, Eure Hilde“von Adreas Dresen über die antifaschi­stische Widerstand­skämpferin Hilde Coppi drückt sich sowohl um ihre kommunisti­sche Haltung als auch um angemessen­e Nazi-Figuren. Stattdesse­n lässt er Hauptdarst­ellerin Liv Lisa Fries als junge Frau lieben und als Mutter im Gefängnis leiden.

 ?? ?? Birgit Minichmayr im Film „Mit
Birgit Minichmayr im Film „Mit
 ?? RUTH BECKERMANN FILMPRODUK­TION ?? Szene aus Ruth Beckermann­s Film „Favoriten“
RUTH BECKERMANN FILMPRODUK­TION Szene aus Ruth Beckermann­s Film „Favoriten“
 ?? ?? einem Tiger schlafen“als die Künstlerin Maria Lassnig
einem Tiger schlafen“als die Künstlerin Maria Lassnig
 ?? SEIDL FILMPRODUK­TION ?? Anja Plaschg im Film „Des Teufels Bad“
SEIDL FILMPRODUK­TION Anja Plaschg im Film „Des Teufels Bad“

Newspapers in German

Newspapers from Austria