Bernhards „Heldenplatz“am Wiener Burgtheater
Frank Castorf (...) interessiert sich kaum für Österreich 1938, schon gar nicht für Österreich 2024, auch nicht für aktuelle Politik, für eine rechtspopulistische FPÖ etwa, die demnächst in Österreich den Kanzler stellen könnte, nicht für die bedrohte Demokratie in Europa. Er will erkennbar den Blick weiten auf Flucht und Exil, auf Tod und Trauer, auf die Verführbarkeit derer, die von starken Männern, von geschickten Charismatikern, von Propagandisten der Macht geführt werden wollen.
Das alles ist also nicht wirklich Thomas Bernhard, sondern wieder einmal original Frank Castorf. Und wieder wird nicht immer klar, was er uns da eigentlich sagen will. Für sein Panorama über die österreichische Abartigkeit, die ja leider tatsächlich in den letzten Jahren wieder fröhliche Urstände feiert – man denke nur an die Umfrageergebnisse der FPÖ –, hätte eine Stunde weniger mehr als gereicht.
Was hat Castorf aus dem Hohn gemacht? Einen höllischen Zirkus von mehr als fünf Stunden, der für seine Anhänger ein Hochamt, fürs Ensemble ein Fest, für viele wahrscheinlich eine Überforderung und für manche eine Zumutung ist. Herrn Castorf aber muss man leider sagen: Jetzt übertreiben Sie mal nicht so mit Ihrer für alte Ossis typischen Bildungsbeflissenheit! Machen Sie nicht Herrn Bernhard selig so klein, so groß sind Sie nun auch wieder nicht.
Frank Castorf vertieft mit seiner „Heldenplatz“-Regie nicht den Text Thomas Bernhards, sondern sich selbst. Und die Erzählung verwässerte zum Fiebertraum eines liberalen, sowohl dramaturgisch als auch politisch eingeweihten Bildungsbürgertums, das vor dem Aussterben steht. Über die Rückwand ist ein Reichparteitag-Foto mit Hitlergrüßen so weit das Auge reicht gespannt, an der Rampe bückt man sich einstweilen um Schmähs in tiefere Schubladen.