Gute Bücher in die Welt setzen
Klein, aber ambitioniert. Der Grazer Klingenberg-Verlag punktet mit einem weltoffenen Programm – von Ukraine-Reportagen über kurdische Literatur bis zu kanadischer Lyrik.
Begonnen hat alles mit dem Vater, dessen Leben sich krankheitsbedingt allzu früh zu Ende neigte. Georg Klingenberg war Professor für römisches Recht an Universitäten in Österreich und Deutschland. Sein Sohn Paul, damals 25 Jahre alt, brachte für ihn letzte Dinge in Ordnung, erfüllte finale Wünsche. Eines Tages bat ihn der Vater: „Schau bitte auf meinem Laptop, ob da noch etwas Wichtiges drauf ist.“
Dort entdeckte Paul Klingenberg dann ein Manuskript mit dem Titel „Examen“, dahinter steckte ein Text, mit dem der Professor durch das „Drama der mündlichen Prüfung führte“. „Ich war total überrascht“, erzählt Paul Klingenberg, „weil das nämlich kein staubtrockener Text war, sondern sehr pointiert und witzig.“Seine nächste Überlegung: Dieser Text darf nicht verloren gehen, er muss veröffentlicht werden. „Paul, lass das“, mahnte der Vater – doch natürlich hielt sich der Sohn nicht daran. Er bot das Manuskript mehreren Verlagen an, doch niemand griff zu. Also gründete Paul Klingenberg kurzerhand einen eigenen Verlag, ohne damals vom Geschäft die geringste Ahnung zu haben. „Ich wusste nicht einmal, was genau ein Verlag macht, aber das war mir egal.“Die „Prüfungskunde“von Georg Klingenberg wurde die erste Publikation im Klingenberg-Verlag. „Die Veröffentlichung hat mein Vater aber leider nicht mehr erlebt.“
Das war 2017. Am Donnerstag feiert der Klingenberg-Verlag ein Fest zum siebenjährigen Jubiläum, in dessen Rahmen die aktuelle Publikation vorgestellt wird: ein Gedichtband des franko-kanadischen Autors, Musikers und Lyrikers Jean Perron. „Sehr dylaneske Gedichte, ein Buch der feinsinnigen Überraschungen“, so Paul Klingenberg. Überraschungen – dieses Wort und die Haltung dahinter ziehen sich wie ein roter Faden durch die Verlagsgeschichte.
„Ich verlege Bücher, die mich selbst überraschen und auf irgendeiner Ebene berühren. Originalität ist mir sehr wichtig, vor allem hinsichtlich der Sprache.“Im Laufe der sieben Jahre wurden mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht. Dem Vater-Buch folgte der Band „Leuchtfeuer im Kupfer der Dämmerung“von Jim Palmenstein – ein Pseudonym, der Autor möchte anonym bleiben. Die nächste Klingenberg-Publikation – „Worlds Apart“– stammte vom britischen, in Graz lehrenden Linguistik-Professor David Newby. Weiters im VerlagsPortfolio (Auswahl): eine Anthologie slowenischer Kurzprosa, ein Gedichtband des andalusischen Dichters Francisco Cienfuegos, Schüttelreime von Albrecht Wagner. Breite Aufmerksamkeit erhielt der
Verlag 2022 durch die Veröffentlichung von zwei Büchern des kurdischen Exil-Autors Sherzad Hassan, über den aufgrund seiner islamkritischen Position die Fatwa verhängt wurde. Brandaktuell und zutiefst verstörend ist auch der Interview-Band der ukrainischen Journalistin und Schriftstellerin Olha Volynska.
Was Paul Klingenberg anfangs an Professionalität fehlte, machte er durch seine Passion wett. Er putzte Klinken, fuhr auf Buchmessen, erarbeitete sich einen Ruf als Verleger ohne Scheuklappen und Lagerdenken.
„Wenn es so etwas wie eine Verlagsphilosophie gibt, dann ist es der Gedanke, dass wir alle Menschen sind, egal aus welcher Kultur und mit welcher Orientierung.“Der Verlag ist ein MiniUnternehmen und besteht mehr oder weniger aus Paul Klingenberg und seiner ebenso passionierten Partnerin Laura Schuler. Was ihr wichtig ist: „Auch Autorinnen und Autoren zu fördern, die noch nicht zu bekannt sind.“Inzwischen gibt es (kleinere) Förderungen von Stadt und Land, aber noch immer kann es passieren, dass Paul Klingenberg in die Privatschatulle greifen muss, um das zu realisieren, was ihn antreibt: „Gute Bücher in die Welt setzen.“