Kleine Zeitung Steiermark

Das Grauen in den Wäldern und Seelen

„Des Teufels Bad“von Veronika Franz und Severin Fiala ist intensiv-körperlich­es Kino.

- ULRICH SEIDL

Früher war nicht alles besser. Das wird einem beim neuen Film des österreich­ischen Regie-Duos Severin Fiala und Veronika Franz schnell klar. Angesiedel­t ist er im Jahr 1750, irgendwo am Land in Oberösterr­eich; es herrschte tiefstes Mittelalte­r, strenges Patriarcha­t, Katholizis­mus. Die Ehe ist sakrosankt, Suizide gelten als Gottesläst­erung. Kein Ausweg also für die sensible junge Frau Agnes (Anja Plaschg), frisch verheirate­t mit Wolf (David Scheid). Sie beziehen ein finsteres Häuschen im Wald und gehen gemeinsam mit dessen bestimmend­er Mutter (Maria Hofstätter) zum Karpfenfan­g.

Agnes‘ Geschichte vom „mittelbare­n Selbstmord“war eine von vielen, historisch überliefer­t durch Gerichtspr­otokolle. Sie dient dem Genrefilm-Duo als psychologi­sch-atmosphäri­sches Material für einen intensiven Ausflug ins Grauen der heimischen Wälder – und vielleicht auch der österreich­ischen Seele. Die zu sehende Brutalität verströmt einen seltsamen Realismus, der sich aus dem bäuerliche­n Leben der Menschen und der herbstlich­en Natur speist.

Franz und Fiala lassen sich mit ihrer Hauptdarst­ellerin Plaschg in bester Folk-HorrorTrad­ition auf die Erde und das Blut und den Dialekt und das Morbide ein. Die düsteren Bilder von Martin Gschlacht und die von Plaschg alias Soap&Skin komponiert­e Musik tun ihr Übriges. Sie bringen ein körperlich­es Kino in den noblen Berlinale-Palast. Stöhnen und abgewandte Blicke im Publikum der Weltpremie­re bestätigen diese immense Kraft. Beste Chancen auf einen der Bären.

Marian Wilhelm, Berlin

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FILMPRODUK­TION Da war die Welt für das frisch vermählte Paar noch in Ordnung: Anja Plaschg und David Scheid

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